: Wir sparen uns die Ruhrstadt
Der Kommunalverband prophezeit harte Zeiten: Die Menschen kehren dem Revier den Rücken, Steuergelder fehlen, Neuverschuldung steigt. Die Lösung: Sparen – bis die Ruhrstadt kommt
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Es stehen steinharte Zeiten bevor: Nach Auffassung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR) muss aus den Ruhrstädten in den kommenden Jahren eine Sparstadt werden – ansonsten wird die Region von einem beträchtlichen Schuldenberg erdrückt. Das besagt eine Studie des KVR, die gestern in Essen vorgestellt wurde. Das 300 Seiten-Papier prophezeit dem Ruhrgebiet einen Bevölkerungsrückgang von derzeit 5,3 Millionen Einwohner auf rund 5 Millionen im Jahr 2015. Der Rückgang, der vor allem die elf kreisfreien Städte treffen soll, werde die Kommunen zu gravierenden fiskalischen Konsequenzen zwingen, so der Kämmerer des KVR, Dieter Hötker. Die Städte seien mehr gefordert als bisher, gemeinsam Kosten einzusparen.
Die von dem Cottbuser Finanz- und Regionalwissenschaftler Martin Junkernheinrich erstellte Studie rechnet bis zum Jahr 2015 mit einer zusätzlichen Belastung von rund 670 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht etwa 17 Euro pro Person und Monat. Das dunkel klaffende Finanzloch resultiert aus dem zunehmenden Abwanderungstrend in der Region – immer mehr Menschen kehren dem Revier den Rücken. Mit ihnen verlieren die ohnehin angegriffenen Städte auch dringend benötigte Steuergelder.
„Das Ergebnis der Studie“, sagte Hötker, „ist sehr Besorgnis erregend.“ Dennoch wolle man mit der Prognose nicht nur Unmut stiften. Es sei vielmehr an der Zeit, den vorhergesagten Zahlen „entgegen zu steuern“, auch wenn es dazu kein „Patentrezept“ gebe. Dennoch: Dem KVR schwebt insbesondere eine interkommunale Zusammenarbeit vor. In den Grenzbereichen der Städte könnten beispielsweise Krankenhäuser oder Feuerwehren kooperieren, schulpflichtige Kinder sollten auch die Bildungsstätten der Nachbarstadt besuchen dürfen. „Das würde Kosten senken“, erklärte Carsten Tum, Leiter des Fachbereichs Strukturentwicklung beim KVR. Junkernheinrich, der früher selbst in Essen zuhause war, hatte es hingegen auf das Ruhrgebiet als Kulturlandschaft abgesehen: Man könne Kulturpolitik auch anders machen als mit großen Häusern, sagte der Wissenschaftler und spielte damit vor allem auf die zahlreichen Konzert-Tempel an, die derzeit überall in der Region aus dem Boden gestemmt werden. Junkernheinrich plädierte für einen städteübergreifenden Masterplan für Kultur. Außerdem müsse man die sozialen Leistungen in den Griff bekommen, ansonsten würde es „ziemlich schwer“.
Die KVR-Verantwortlichen wurden indes nicht schlapp, zu betonen, dass es sich bei der Studie lediglich um eine Prognose handle. Mit anderen Worten: Die Untersuchung ist eine Buch gewordene Warnung – wer nicht darauf hört, wird sich in ein paar Jahren in einer Gegend wiederfinden, die zwar einen Haufen angesehener Kulturstätten vorzuweisen hat, aber eben auch einen mächtigen Schuldenberg.