Neue Hoffnung fürs Kulturloch

Die Nominierung des Kasseler Staatstheater-Intendanten Christoph Nix für das Amt des Kölner Kulturdezernenten überrascht die freie Szene. Kaum einer kennt ihn, aber die Hoffnungen sind groß

VON JÜRGEN SCHÖN
UND WOLFGANG JORZIK

„Diese Hinterzimmerpolitik beschädigt die wichtige Position und macht es Herrn Nix sicher nicht leicht, in Köln unvoreingenommen begrüßt zu werden.“ Mit dieser Einschätzung zur Nominierung des neuen Kulturdezernenten steht Gerhard Haag, Sprecher der „Theater-Plattform“ in Kölns freier Szene nicht allein. Im stillen Kämmerlein, ohne die ursprünglich versprochene Einbeziehung der Ratsopposition, hatte sich die schwarz-grüne Mehrheit am Mittwoch Abend überraschend dafür entschieden, Christoph Nix, den scheidenden Intendanten des Staatstheaters Kassel, zum Nachfolger für die im Mai verstorbene Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer zu benennen. Abstimmen darüber muss der Rat am 20. Juli in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode.

Auch Dieter Horky, Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler Köln (BBK), hätte sich beim Auswahlverfahren mehr Transparenz gewünscht. Vor allem stört ihn, dass nicht im Vorfeld öffentlich diskutiert wurde, in welche Richtung sich die Kulturpolitik entwickeln soll. „Aber so ist das in Köln: Man sucht eine Persönlichkeit und hofft, die wird‘s schon richten.“

Kölns freie Szene, in der Nix weit gehend unbekannt ist, hält sich mit einer Wertung noch zurück, setzt allerdings auch große Hoffnung in ihn. So findet es Joe Knipp, Vorsitzender der Kölner Theaterkonferenz, grundsätzlich gut, dass der Neue ein „Mann der Praxis und des Theaters“ sei. Und wenn Nix gesagt habe, er wolle den „Brückenschlag zwischen städtischem und freiem Theater fördern“, sei das eine „beruhigende Aussage“. Gerhard Haag vom Theater im Bauturm hofft, dass die freie Szene endlich „ernst genommen“ wird.

Bananensprayer Thomas Baumgärtel, Vertreter der Künstler, die noch ein Atelier in der ehemaligen Gummifabrik Clouth haben, hofft, dass sich der „Theatermann“ Nix durch Atelierbesuche über die freie Kunstszene informiert. Vor allem aber müsse das Kulturdezernat „wieder eine wichtige Rolle in der Stadt spielen und sich zum Beispiel gegenüber der Stadtplanung durchsetzen“, sagte Baumgärtel in Anspielung auf die Planungen zum Clouth-Gelände, die ohne Rücksicht auf die Künstlerkolonie vorangetrieben werden.

In Erhaltung und Schaffung neuer Arbeitsräume für Künstler aller Genres sieht auch BBK-Chef Dieter Horky eine der Hauptaufgaben des neuen Dezernenten, ebenso den Bau des Kulturzentrums mit Kammermusiksaal am Neumarkt, wo heute noch das „Kulturloch“ gähnt.

Vorsichtig optimistisch ist Reiner Michalke vom Stadtgarten, einer der Sprecher des Kulturnetzes, des Zusammenschlusses der freien Szene. Der Musikexperte, für die Grünen als „sachkundiger Bürger“ im Kulturausschuss, hatte sich Mitte Juni im taz-Interview noch dafür ausgesprochen, vor der Wahl eines Kulturdezernenten eine Diskussion über die Ziele einer künftigen Kulturpolitik zu führen. Nach dessen Nominierung konnte er mit Nix sprechen. Sein Fazit: Mit Nix sei eine Person Kandidat für das Amt des Kulturdezernenten, „die aus dem Bereich des Kulturschaffens und nicht aus dem Bereich des Kulturverwaltens kommt“, lobt er. Michalke wünscht sich, dass künftig wieder die Künstler im Mittelpunkt des Geschehens stehen, und geht davon aus, dass „Köln vor einer interessanten und abwechslungsreichen kulturpolitischen Phase steht“.

Während sich die PDS von Nix „Akzente“ erhofft, kommt Kritik von SPD und FDP. „Politik nach Gutsherrenart“ nennt SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Börschel das „übereilte Verfahren“. Über die fachliche Qualifikation will er sich erst äußern, wenn sich Nix der Fraktion vorgestellt habe. Aber, so deutet er an, „unsere Informationen aus Kassel ergeben einen erheblichen Fragebedarf“. Ulrich Wackerhagen, kulturpolitischer Sprecher der FDP, wird konkreter. Als Intendant des Staatstheaters in Kassel scheine Nix „verbrannte Erde hinterlassen zu haben“, ihm werde dort „insbesondere mangelnde Integrationsfähigkeit und Mitarbeiterführung vorgeworfen“. Vorwürfe, die weder Reinhold Holstein, Personalratsvorsitzender am Kasseler Staatstheater, noch der Kasseler Ver.di-Fachbereichssekretär Leo Rauh der taz bestätigten.

Nix nannte die FPD-Kritik gegenüber der taz „unseriös und unter der Gürtellinie. Wäre ich ein Prozesshansl, würde ich dagegen vorgehen“. Die SPD-Kritik am Auswahlverfahren wollte er nicht kommentieren. Er jedenfalls freue sich auf Köln und hoffe „Einiges zu bewegen“.