Pflichten und düstere Drohungen

Wer nach Hartz IV die zusammengelegte Arbeitslosen- und Sozialhilfe beantragen möchte, muss künftig die Hosen ganz tief herunterlassen. Die taz hat das Antragsformular, über dem künftig Millionen brüten werden, schon einmal vorab gesichtet

von Markus Jox

Irgendwie fühlt man sich an Reinhard Mey erinnert. Seinen berühmten „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars / zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschlagexemplars“ besang der Barde bereits vor Jahrzehnten. Überträgt man die Bürokratie-Kritik in die Jetzt-Zeit, landet man beim „Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), vulgo: beim Antragsformular für die Ära Hartz IV. Morgen stimmt der Bundesrat über das Gesetz ab, das Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 zusammenlegen soll. Das Antragsformular der Bundesagentur für Arbeit, das Millionen Menschen demnächst ausfüllen müssen, wenn sie „Arbeitslosengeld II“ und „Sozialgeld“ wollen, liegt der taz bereits vor.

Neben dem eigentlichen Antrag – sechs Seiten vollgequetscht mit Kästchen – gibt es vier „Zusatzblätter“: zur „Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung“, die „Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung“, die „Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens“ und für die „Eintragung weiterer Angehöriger“.

Über die üblichen allgemeinen Angaben zur Person und den persönlichen Verhältnissen hinaus werden unter anderem Gründe für „besondere Mehrbedarfe“ abgefragt. So wollen Bundesagentur und Kommunen wissen, ob jemand innerhalb der Haushaltsgemeinschaft schwanger ist oder aus medizinischen Gründen einer „kostenaufwändigen Ernährung“ bedürfe. Selbstredend muss so etwas belegt werden: „Zum Nachweis der Erforderlichkeit und der Art des Mehrbedarfes“, heißt es klein gedruckt und im schönsten Amtsstuben-Nominalstil, „ist ein Vordruck beim zuständigen Träger erhältlich, der von Ihrem Hausarzt auszufüllen ist.“ Über alle Erwerbsfähigen ab dem 15. Lebensjahr muss angegeben werden, „ob er/sie – Ihrer Einschätzung nach – mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann“.

Wenn ein Antragssteller oder dessen Partner Vermögen besitzt, das den Wert von 4.850 Euro je Person übersteigt, muss Zusatzblatt 3 ausgefüllt werden. Dieses beginnt mit einer schneidigen, messerscharfen Definition: „Vermögen ist die Gesamtheit der in Geld messbaren Güter einer Person, bewertet zum Zeitpunkt der Antragstellung, soweit das Vermögen nicht später erworben wurde.“ Hernach sind Antragsteller aufgefordert alles anzugeben, was zu ihrem Vermögen zählt – „unabhängig davon, ob es im In- oder Ausland vorhanden ist“: unter anderem Bargeld, Sparguthaben oder Aktien, aber auch „bewegliches Vermögen“ oder „dingliche Rechte an Grundstücken“. Explizit gefragt wird etwa nach Edelmetallen, Antiquitäten, Autos und Vermögen, das bereits verschenkt oder gespendet worden ist.

Auf einem dem Formular beiliegenden Info-Zettel wird man harsch zu „aktiver Mitwirkung“ angehalten: „Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende setzen voraus, dass sowohl Sie als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger als auch die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung Ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen.“ Alle „erwerbsfähigen Leistungsbezieher“ seien verpflichten, „jede Arbeit anzunehmen“ – diese drei Wörter sind fett gedruckt. Darunter falle jede Arbeit, so geht es weiter im Text, „zu der Sie geistig, seelisch und körperlich in der Lage sind, es sei denn, einer der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmetatbestände liegt vor, z.B. bei der Erziehung eines unter dreijährigen Kindes“.

Weh denen, die da nicht mitspielen: „Pflichtverletzungen, für die Sie keinen wichtigen Grund anführen können, führen zu einer Absenkung des Arbeitslosengeldes II“ – im Wiederholungsfall kann selbst das Geld für Unterkunft und Heizung gekürzt oder ganz gestrichen werden.

Streng verweist das Formular auf die „Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht“: Leistungsempfänger seien „verpflichtet, sich nach Aufforderung persönlich zu melden und gegebenenfalls zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen“. „Sofort“ wollen die Behörden informiert werden, „wenn Sie heiraten oder eine (Lebens-)Partnerschaft eingehen“, wenn „Erträge aus Vermögen gutgeschrieben werden oder Steuererstattungen zufließen“.

Sollte ein Bürger „unvollständige oder falsche Angaben machen“ oder Änderungen „nicht bzw. nicht unverzüglich mitteilen“, erfülle er gegebenenfalls „einen Ordnungswidrigkeits- oder Straftatbestand“. Zum guten Schluss verweist das Blatt auf „moderne Methoden der Elektronischen Datenverarbeitung“, mit denen Leistungsmissbrauch „aufgedeckt und mit Nachdruck verfolgt und geahndet“ werde – „um die Gemeinschaft der Steuerzahler zu schützen“.