Jukebox

Voll die Luft und nichts weiter in den Fingern

Auf der Rampe ja, immer: da geht das mit dem Ausfallschritt und der ins Gesicht geklemmten Grimasse, wenn der Gitarrist zum Solo ansetzt.

Aber natürlich steht niemand vorn an der Rampe und macht sich zum Affen, indem er im gleichen Moment an einem Instrument zwirbelt, das keiner sieht. Der Luftgitarre. Nein, meine Damen und Herren. Die Rockmusik ist aus dem Gröbsten raus, und da will ihr doch keiner mehr als Pubertätspickel auf der Nase sitzen. Luftgitarrenspiel ist out, und als bester Beweis dafür muss gelten, dass das Luftgitarrenspiel gerade vollkommen in ist. Total angesagt. Sogar Wettbewerbe gibt es mittlerweile dafür. Was immer schon der Beleg dafür gewesen ist, dass die gelebte Praxis tot ist. Ein Luftgitarrenspieler in der freien Natur der Konzerte ist seltener zu sehen als ein scheues Reh. Nur in seiner künstlich destillierten Form schwingt er sich zum Kneipenvergnügen auf. Musiksoziologisch folgt das Luftgitarrenspiel natürlich einem mimetischen Prinzip, wie man das auch aus Krabbelgruppen kennt. Wobei doch seine Verwandtschaft zum Jazz noch genauer zu bestimmen wäre, weil gerade da die Mimesis besonders ausgeprägt ist. Man denke nur an den Versuch der Jazzsänger, andere Instrumente zu imitieren. Und natürlich folgt das Luftgitarrenspiel festen Regeln. Die wichtigste: Egal, welches Modell auch bespielt wird, muss es doch vollkommen aus Luft beschaffen sein. Hört sich vielleicht logisch an. Muss aber immer wieder betont werden, weil gerade der ungeübte Luftgitarrenspieler gern irgendwelche Ersatzstoffe zwischen die Finger nimmt. Beim letzten Wettbewerb, den ich gesehen habe, schnappte sich so einer den Mikroständer, den er beim Ekstase-Finale natürlich auch gleich ganz wirklich zu Klump haute. Selbst eine Strandliege, die auf der Bühne herumstand, wurde luftgitarrentechnisch bearbeitet. Was hübsch aussehen mag, aber eben als Strandliegenbespielen eine ganz eigene Disziplin ist. Wie man’s wirklich macht, kann man am Samstag in der Knorre sehen, bei der deutschen Meisterschaft im Luftgitarrenspielen (Info: www.germanairguitarfederation.de). Erklärtes Ziel der Air Guitar World Championships ist übrigens der Weltfriede, der in dem Moment erreicht wird, wenn alle Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam Luftgitarren spielen.

Schade dabei nur, dass man an seiner Luftgitarre nicht so einen Sticker befestigen kann, wie ihn Woody Guthrie an der Klampfe hatte: „This machine kills fascists“. THOMAS MAUCH