Mit dem Hightech-Fahrstuhl ins Weltall

Der US-Physiker Bradley Edwards will einen 100.000 Kilometer langen Weltraumfahrstuhl bauen. Nasa und US-Kongress unterstützen das Projekt

„Schon in zehn bis fünfzehn Jahren könnten wir mit dem Bau fertig sein“

Die Straße in den Himmel ist hunderttausend Kilometer lang, aber nur einen Meter breit und dünner als ein Blatt Papier. Das hauchzarte Band besteht aus superreißfesten Kohlenstoff-Nanoröhrchen, deshalb können an ihm in Kabinen tonnenschwere Lasten und Dutzende Passagiere emporschweben. Reisegeschwindigkeit: zweihundert Stundenkilometer. Nach drei Wochen kommt man am Ende des Bandes an und kann die Erde unter sich als blauen Ball sehen.

Mit dem Fahrstuhl ins All – so stellt sich Bradley Edwards die Raumfahrt der Zukunft vor. „Nichts an dem Entwurf ist neue Physik“, behauptet der Mann, „nichts muss ganz neu entdeckt oder erfunden werden. Schon in zehn bis fünfzehn Jahren könnten wir mit dem Bau fertig sein.“

Edwards ist kein Spinner, sondern ein Physiker, den die US-Raumfahrtagentur Nasa so ernst nimmt, dass sie ihm 500.000 Dollar spendiert hat, um ein machbares Konzept für einen Weltraumfahrstuhl vorzulegen. Seit vier Jahren arbeitet Edwards daran, als Leiter eines Forschungsteams am Institute for Scientific Research im US-Bundesstaat West Virginia. Letzte Woche stellten er und seine Mitarbeiter auf einer Konferenz zum Thema Weltraumfahrstuhl in Washington D. C. Details ihrer Arbeit vor.

Was Edwards vorschlägt, klingt fast schon simpel: Ein hunderttausend Kilometer langes Band, das fünf Zentimeter breit und nur einen tausendstel Millimeter dick ist, wird ins All transportiert und von dort senkrecht in Richtung Erde herabgelassen. Das untere Ende des Bandes wird an einer Meeresplattform in Äquatornähe verankert. Als Gegengewicht am oberen Ende dienen leere Raketentanks. Die Anziehungskraft der Erde am unteren Ende und die ihr entgegengesetzt wirkende Fliehkraft am oberen Ende halten das Band unter Spannung.

Etwa 1,2 Tonnen Last kann diese Anfangskonstruktion befördern. Stück für Stück werden neue Bänder „angeklebt“, bis das Ganze etwa einen Meter Breite erreicht. Das fertige Band kann nun in einem Aufzug eine Last von dreizehn Tonnen befördern. Angetrieben wird der Fahrstuhl von speziellen elektrischen Motoren. Als Stromquelle dient ihnen in Elektrizität umgewandelte Laserenergie, die von der Meeresplattform aus auf die Unterseite des Fahrstuhls „gebeamt“ wird.

Kohlenstoff-Nanoröhrchen ist der Name des Wundermaterials, das nicht schon nach ein paar Kilometern Länge unter seinem Eigengewicht zerreißt. Es besteht aus Kohlenstoffatomen, die sich zu winzigen röhrenartigen Gebilden verbinden. Sie sind extrem leicht, aber tausende Male stärker als Stahl. Das Problem des 1991 entdeckten Wundermaterials: Seine Herstellung ist bislang noch sehr aufwändig. Ohnehin ist es bisher nicht gelungen, einzelne Röhrchen mit mehr als ein paar Zentimetern Länge herzustellen. Experten gehen jedoch davon aus, dass die kommerzielle Produktion von Kohlenstoff-Nanoröhrchen in einigen Jahren beginnen wird.

Auf acht Milliarden Dollar schätzt Edwards die Baukosten des Fahrstuhls – eine nahezu lächerliche Summe im Vergleich zu den 500 Millionen Dollar, die ein einziger Start des US-Spaceshuttles verschlingt. Ist der Fahrstuhl einmal fertig, könnten die Transportkosten ins All von mehreren zehntausend Euro je Kilogramm auf wenige hundert Euro sinken.

Kritiker halten Edwards vor, dass er bisher nur theoretische Lösungen vorgeschlagen habe, aber kein ingenieurtechnisches Konzept. Den US-Kongress hat Edwards jedoch beeindruckt. Die Abgeordneten bewilligten unlängst weitere 2,5 Millionen Dollar für die weitere Fahrstuhlforschung. KENO VERSECK