Geduld und Spucke

Mit Beharrlichkeit ans Ziel: Die Serie „Gilmore Girls“ beschert Vox einen Überraschungserfolg am Nachmittag

Noch sind die Feuilletons nicht aufmerksam geworden auf eine Erfolgsgeschichte, die sich bislang im Stillen abspielt: Der Sender Vox verzeichnete mit der TV-Serie „Gilmore Girls“ zuletzt einen Marktanteil von über 10 Prozent. Nicht nur über die quantitativen, auch über die qualitativen Daten dürften sich die Werbezeitenvermarkter freuen: Das vorwiegend weibliche Publikum der Serie verfügt zumeist über eine höhere Schulbildung und ist finanziell eher gut ausgestattet.

Angesicht der Inhalte der intelligenten Serie werden diese Ergebnisse nicht verwundern: die ungewöhnliche Mutter-und-Tochter-Geschichte wartet mit geistreichen Dialogen, skurrilen Figuren und durchaus realitätsbezogenen Konflikten auf.

In der überregionalen Presse fand die Serie bislang so gut wie keine Erwähnung. Damit wiederholt sich am Nachmittag, was Vox vordem im Abendprogramm mit „Ally McBeal“ gelang: Das Publikum erspäht eine Serie mit Kultpotenzial, die professionellen Fernsehbeobachter hinken hinterher. Am heutigen Freitag aber bietet sich allen Nachzüglern Gelegenheit zur Partizipation, wenn bei den „Gilmore Girls“ gemäß dem Titel des Pilotfilms „Alles auf Anfang“ gesetzt wird.

Der Erfolg der „Gilmore Girls“ verdankt sich nicht zuletzt einer kontinuierlichen Pflege des Sendeplatzes. Schon die vordem um 16.00 Uhr ausgestrahlte Familien- und Justizserie „Für alle Fälle Amy“ zählte zu den hochklassigen Angeboten. Mittlerweile beweisen nur noch die kleineren Sender wie Vox und RTL2 die nötige Geduld, Importe geduldig aufzubauen. Das war mal anders: Beispiele wie die RTL-Einkäufe „Eine schrecklich nette Familie“ und „Die Nanny“ haben gezeigt, dass aus wenig beachteten Nachmittagsprogrammen echte Dauerbrenner werden können.

Anders verfährt dagegen Sat.1. Waren dort früher am Samstagnachmittag gute bis erstklassige Importserien zu sehen, wurde nun durch Verlegung auf den Vormittag Raum geschaffen für Wiederholungen von Pseudo-Reality-Shows wie „Zwei bei Kallwass“ und „Richterin Barbara Salesch“. Ärgerlich für den Zuschauer, wenn eine sehenswerte Serie wie „That’s Life“ unangekündigt auf den 9.00-Uhr-Termin verschoben wird.

Schade ist’s auch um die wunderbare Dramödie „Ed“, die seit einiger Zeit um 10.00 Uhr angesetzt ist. Beide Titel sind ähnlich publikumswirksam und damit auch vergleichbar quotenträchtig wie die „Gilmore Girls“, wenn sie denn zur Entdeckung bereit stünden. Im Vormittagsprogramm jedenfalls werden sie schändlich verschleudert.

HARALD KELLER

„Gilmore Girls“, tägl. 16.05 Uhr, Vox„That’s Life“, samstags, 9.00 Uhr, Sat.1 „Ed“, samstags, 10.00 Uhr, Sat.1