Jetzt mal richtig, ihr Flickschuster!

Eine Polemik von Christian Füller

Reform, Reform, Reform. Niemand mag das Wort mehr hören. Die Gesellschaft für deutsche Sprache sollte es auf den Index setzen. Die Schröder-Fischer-Kombo hat den Begriff ruiniert, indem sie ihn vom Start weg zu ihrem Glaubensbekenntnis machte. Was immer auch Helmut Kohl in 16 Jahren liegen gelassen hatte, Rot-Grün drohte es anzupacken. „Wir werden“, so die prägnante Formel Gerhard Schröders, „nicht alles anders, aber vieles besser machen“. Ein hübsches Leitmotiv, das die Rast- und Ratlos-Regierer inzwischen mühelos ins Gegenteil verkehrt haben. Rot-Grün hat vieles anders gemacht, aber fast nichts besser.

Das „vieles besser“ war ja als Valium fürs Volk gedacht. Die aus Spontis, Jusos, Asta-Vorsitzenden und RAF-Anwälten gebildete Regierung werde – so die Botschaft – nicht in Revoluzzerfantasien zurückfallen. Schröder verhieß: Nix Umsturz – wir liefern gutes Handwerk. Dieses Ziel wurde grandios verfehlt.

So faul und indolent wie die Kabinette Kohls war Team Schröder selbstverständlich nie. Der Oggersheimer hat selbst die geistig-moralische Wende, die er versprach, ausgesessen. Die Fischers und Schilys dagegen können sich mit einigem Recht an die Brust heften, eine solche Wende herbeigeführt zu haben. Schröderland ist offener und sympathischer geworden. Ohne Zweifel ist das auch die Folge überfälliger Beschlüsse von Rot-Grün. Die schwul-lesbische Gleichstellung zum Beispiel oder die Entschädigung für die Zwangsarbeiter.

Nur käme heute keiner auf die Idee, die Laien so wenig wie die Menschen vom Fach, auf den rot-grünen Baustellen so etwas wie solide Handarbeit finden zu wollen. Manche der Fehl- und Flachbauten sind längst wieder in Umbau oder Abriss. Das gilt für den allerersten Flop von Polier Schröder, die Minijobs, genauso wie für den letzten, die Maut-Blamage.

Gern wird versucht, Rot-Grün freizusprechen. Klar, die Industrie hat die Maut eigentlich auf dem Kerbholz. Und Minijobs sind in Zeiten matter Konjunktur prinzipiell schwer zu stimulieren. Das Problem ist aber: Wer will dem Publikum seine Wut auf die permanenten Ausreden verdenken? Wenn etwa eine Konzernsteuerreform reihum Länder und Kommunen finanziell flach legt und es heißt, der Fehler sei angeblich winzig gewesen.

Auch dass inzwischen noch der dümmste Vorwurf verfängt („Eichel ist schuld am Einbruch der Weltkonjunktur“), hat sich die Regierung selbst zuzuschreiben. Ihr nicht enden wollendes Trial-and-error hat jede fachliche Autorität verbraucht. Viel zu viele wünschen sich, dass Rot-Grün doch besser einpacken, als um Himmels wieder etwas neues anpacken solle.

Eine vermeintliche Reform-Regierung nicht vorzeitig auf Erholungskur schicken zu wollen, weil sonst Merkelwelle rückwärts drohe, kann ungesund werden. Wer weiß, vielleicht mündet das drehorgelhafte Warnen vor Schwarz-Gelb noch in der völligen Selbstvernichtung von Regierung und Sozialdemokratie. Dann dräut schon bald eine verfassungsändernde Mehrheit mit Koch und Merz als neuen Zuchtmeistern des Grundgesetzes.