Das Möchtegern-Vollweib

Berlinale Star-Album (4): Christine Neubauer

Lassen Sie uns aus aktuellem Anlass heute ausnahmsweise über Christine Neubauer sprechen, die sonst in der taz zu Recht nicht vorkommt. Die Schauspielerin spielt seit Jahrzehnten starke Frauen in schwachen Fernsehfilmen wie „Afrika im Herzen“ und „Insel des Lichts“. Diese beiden und unglaublich viele andere Schmachtfetzen mit dem selbst ernannten „Vollweib“ in der Hauptrolle wurden von Ziegler Film für die ARD-Tochter Degeto produziert.

Und so war es auch kein Wunder, das Neubauer auf der Berlinale-Party ihres treuen Brötchengebers auftauchte und sich am Händchen ihrer Lieblingsproduzentin Regina Ziegler durchs Gedränge schob – und das, obwohl Neubauer mit Kino ungefähr so viel zu tun hat wie Muckefuck mit Espresso. Das unterscheidet sie von der ARD, deren Landesrundfunkanstalten genau wie das ZDF viele Kinoproduktionen als Koproduzent überhaupt erst möglich machen.

Wie wichtig das deutsche Fernsehen fürs Kino ist, weiß auch Jungschauspieler Franz Dinda, der fleißig Visitenkarten von ARD-Hierarchen sammelte und nebenbei für seinen Film „Teenage Angst“ Reklame machte, der seit Kurzem im Kino läuft. Das Internatsdrama ist in seiner Unversöhnlichkeit so etwas wie die Antithese zu Degeto-Produktionen, in denen die Welt schön ist und die Menschen auch.

Aber zurück zu Christine Neubauer, die viel Energie darauf verwendet, jünger auszusehen als 46. Betont jugendlich gab sie sich dann auch im Gespräch mit einem Kamerateam, das ihr unerhebliche Fragen stellte. „Ich wollte eigentlich feiern gehen“, sagte sie, „aber es gibt ja kaum noch Partys.“ Tja, die Finanzkrise hat die Berlinale erreicht – und wer ist die Leidtragende? Christine Neubauer, die einfach nur ein bisschen Spaß haben will.

Ob ihr das doch noch gelungen ist, wissen wir nicht, haben wir sie doch nach einem kundigen „Das hier ist der Hotspot heute Abend“ aus den Augen verloren. Macht aber nichts, denn an Nachschub mangelte es wirklich nicht. Die unübersichtliche dreigeschossige „Eventlocation“ am Potsdamer Platz – laut Eigenwerbung „the platz to be“ – füllte sich zunächst stockend, später aber mehr als ausreichend mit Gesichtern, die man aus dem Fernsehen kennt – ob man nun will oder nicht und von denen die meisten wie Frau Neubauer das Kino auch nur als Zuschauer kennen – Schauspieler wie Wayne Carpendale, Francis Fulton-Smith und Jutta Speidel. Armin Müller-Stahl wurde auch gesichtet – entpuppte sich bei genauerem Hinsehen dann aber doch „nur“ als Charles Brauer.

Wir wollen nicht zynisch wirken, aber für einen kurzen Augenblick dachten wir uns schon, dass das deutsche Fernsehen nicht viel verlieren würde, wenn hier eine Bombe hochginge. Nur das Problem mit Veronica Ferres wäre dadurch immer noch nicht gelöst. Die war nämlich nicht da.

Der filmreife Satz: „Hast du auch ‚In The Navy‘ von Village People?“ (Der Autor zum DJ, der diesen Song bis dahin schon mindestens zweimal gespielt hatte. Der DJ nickte ungerührt und spielte – „YMCA“). DAVID DENK