Gewalt keine Privatsache mehr

Landessozialministerin Birgit Fischer (SPD) hat den 3. Gewaltbericht vorgelegt: Häusliche Gewalt wird zunehmend mit Strafanzeigen und Wohnungsverweisen bestraft: „Gesetzesnovelle erfolgreich“

VON NATALIE WIESMANN

Die gesetzliche Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in NRW trägt Früchte: Immer mehr Täter werden angezeigt und ihrer Wohnung verwiesen. Die Bekämpfung häuslicher Übergriffe ist Schwerpunkt des dritten Gewaltberichts des Landes, den Sozialministerin Birgit Fischer (SPD) gestern vorlegte. Er umfasst den Zeitraum von 1998 bis heute und führt die Gewaltberichte von 1995 und 1998 fort. „Häusliche Gewalt gilt heute nicht mehr als Privatsache“, so Fischer. Die Novelle des NRW-Polizeigesetzes 2002 sei dafür ein wichtiger Schritt gewesen. Die Möglichkeit, bei entsprechender Gefahrenlage den Täter auch von Amts wegen – gegen den Willen der Frau – aus der Wohnung zu verweisen, zeigten die konsequente Verfolgung von Gewalt auch im öffentlichen Raum.

Dafür sprechen auch die Zahlen: Während 2002 noch 14.300 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt wurden, sind im vergangenen Jahr bereits 16.402 Opfer gemeldet worden. Das bedeutet ein Steigerung um nahezu 15 Prozent. Die Zahl der Wohnungsverweisungen und der Rückkehrverbote sind im Vergleich zum Vorjahr sogar um gut 40 Prozent gestiegen. Nur gegen 190 der insgesamt 11.825 Wohnungsverweisungen sind Täter gerichtlich vorgegangen, die Polizeiverfügungen werden anscheinend im Regelfall akzeptiert. „Die Gerichte hätten alle Klagen des Täters abgewiesen, so Fischer. „Das ist ein überwältigender Erfolg“, freut sich die Ministerin über die Entscheidung der NRW-Justiz.

Stolz ist Fischer auch auf das „bundesweit vorbildliche“ Netz von Beratungs- und Hilfseinrichtungen. 63 Frauenhäuser, 55 allgemeine Frauenberatungen sowie 45 Frauennotrufe stehen den Opfern zur Seite. Auch hier habe man den Schwerpunkt der Beratung auf Fälle von häuslicher Gewalt gelegt. „Wichtig ist vor allem die Kooperation der bestehenden Hilfsangebote vor Ort“, betont Fischer. Und damit sei man erfolgreich: Eine Studie, die sie selbst in Auftrag gegeben habe, bestätigte, dass in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt eine solche Kooperation stattfindet.

Kinder sind von häuslicher Gewalt nicht nur indirekt, sondern unmittelbar betroffen, stellt Fischer fest. „Selbst das ‚bloße‘ Miterleben der Gewalt gegen die Mutter ist Gewalt gegen die Kinder“, betont sie. Doch für die Frauen sei es oft schwierig, aus dem Teufelskreis herauszukommen: Wirtschaftliche Abhängigkeit, Angst vor dem Täter sowie die Hoffnung auf Besserung der Situation erschweren vielen Frauen die Loslösung aus Gewaltbeziehungen. Die männlichen Kinder aus solchen Haushalten würden später oft selbst gewalttätig werden, die Mädchen später überdurchschnittlich oft selbst Opfer von gewalttätigen Partnern werden. Deshalb sei es auch immens wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Frauenhilfeeinrichtungen und Kinder- und Jugendhilfe auszubauen.

Um die Gewaltspirale zu stoppen, müsse auch das Gesundheitswesen einbezogen werden, so Fischer. „Oft finden Gewaltopfer nicht den Weg zur Beratung oder zur Polizei“, sagt sie. Stattdessen gingen sie mit ihren Verletzungen zu den Ärzten. „Wir müssen ein Frühwarnsystem schaffen“, so die Ministerin.