Unabhängige Schelte

Die meisten Psychiatrie-Erfahrenen haben auch Erfahrungen mit Diskriminierung. Unabhängige Beschwerdestellen sind trotzdem rar

Betroffene, Angehörige und Profis suchen gemeinsam Lösungen

VON MIRIAM BUNJES

„Der ist ja krank, deshalb fühlt der sich ungerecht behandelt.“ Diese Attitüde ist den meisten von Birgit Richterichs KlientInnen schon mehr als einmal begegnet. „Psychische Krankheiten sind eben ein Stigma“, sagt die Leiterin der Psychiatrischen Hilfsgemeinschaft Duisburg. „Betroffenen wird oft die Urteilsfähigkeit abgesprochen – und damit das Recht, mit ihrer Behandlung unzufrieden zu sein.“ Dieses Recht wollen drei Duisburger Vereine Psychiatrie-Erfahrenen zurückgeben. Eine unabhängige Beschwerdestelle soll das leisten, was auch eine wohltätiger Verein nicht immer leisten kann: Beschwerden aller Art neutral entgegen nehmen, einordnen und dann idealerweise zwischen den Konfliktparteien vermitteln. „Es kann ja schließlich auch sein, dass sich jemand über mich beschweren will“, sagt Rüdiger Szapons vom Verein für psychosoziale Betreuung „Regenbogen“. „Die Hemmschwelle dann bei meinem Arbeitgeber anzurufen und alles so herauszulassen wie das gerade vom Betroffenen empfunden wird, ist da viel höher als bei einer unabhängigen Stelle.“

Ein „Trialog“ soll diese viel beschworene Unabhängigkeit herstellen: In der Beschwerdestelle beraten Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und die Profis – Sozialarbeiter, Ärzte und Pädagogen der Psychiatrischen Hilfsgemeinschaft, des Integrationsfachdienstes und des Vereins „Regenbogen“ – gemeinsam die an sie herangetragenen Fälle. „Wir werden in den nächsten Wochen ein Telefon einrichten, das dreimal wöchentlich von einem Mitarbeiter besetzt wird“, sagt Rüdiger Szapons. „Und dann setzen wir uns alle einmal in der Woche zusammen und entscheiden, was wir in den konkreten Fällen zur Konfliktlösung beitragen können.“

Eigentlich wünscht sich der Sozialarbeiter natürlich ein Büro mit festen Arbeitszeiten für das Projekt und mindestens ein bis zwei feste Stellen – schließlich gibt es in Duisburg etwa 5.000 potentiell Betroffene, schätzt Rüdiger Szapons. Eine Finanzierungsmöglichkeit für die erste unabhängige Beschwerdestelle Duisburgs gibt es indes nicht. „Wir müssen das Projekt aus eigenen Kräften stemmen“, sagt Birgit Richterich. „Unser Verein hat nicht einmal das Geld, jemanden für drei Wochenstunden zu bezahlen.“

Aber auch ehrenamtlich, nur mit Telefon und wöchentlichen Treffen haben ähnliche Projekte schon Erfolge erzielt: Fünf derartige Anlaufstellen gibt es bislang in Nordrhein-Westfalen – keine hat bislang in irgendeiner Form öffentliche Förderung bekommen. „Der Trialog in Nordrhein-Westfalen klappt auch unentgeltlich“, sagt Ruth Fricke vom Bundesverband Psychiatrie-Betroffener. „Wenn sich so eine Stelle erst einmal herumgesprochen hat, stoßen immer mehr Freiwillige zum Team hinzu und insbesondere für Betroffene und Angehörige ist das Gefühl, sinnvolle Unterstützung zu geben, oft mehr wert als eine finanzielle Aufwandsentschädigung.“ Ruth Fricke arbeitet selbst seit vier Jahren in der unabhängigen Beschwerdestelle in Herford. „Zur Zeit beschweren sich die meisten unserer Anrufer über ihre rechtliche Betreuung“, erzählt Fricke. „Ein von uns moderiertes Gespräch zwischen den beiden Parteien erledigt das Problem oft schon.“ Neulich gab es in Herford aber auch einen Fall, „da hat ein Betreuer sich so wenig um den akut Erkrankten gekümmert, dass der seine Wohnung verlor. Da leiern wir dann auch notwendigen Rechtsschritte an.“