Erste Festnahme nach Anschlag

Einen Monat nach dem Nagelbomben-Attentat in der Keupstraße nahm die Polizei in Hessen einen Verdächtigen fest. Sonntag wird in der Straße ein großes Solidaritätsfest für die Anwohner gefeiert

VON FRANK ÜBERALL
UND PASCAL BEUCKER

Das Timing war perfekt: Genau einen Monat nach dem Nagelbombenanschlag und zwei Tage vor dem großen Straßenfest in der Keupstraße hat die Polizei einen ersten Verdächtigen festgenommen. Bei ihm könnte es sich um jenen Mann handeln, der das Fahrrad mit der Bombe vor dem Friseurladen abstellte. Laut dem Kölner Oberstaatsanwalt Rainer Wolf sei der Verdacht gegen den in Nordhessen Festgenommenen „erheblich“. Seine Spur führt nach Angaben der Polizei ins „allgemeinkriminelle Milieu“: Er sei früher bereits durch „kleinkriminelle Delikte“ aufgefallen.

Die Nachricht von der Festnahme stieß in der Keupstraße auf Erleichterung. Denn die Unsicherheit der vergangenen Wochen war groß. „Wir arbeiten hier seit zehn Jahren an unserem Ruf – und dann kommt eine Bombe und macht alles kaputt“, klagt Ali Demir. Deshalb seien viele Kunden weggeblieben und viele Arbeitsplätze in Gefahr. „Deutsche, Türken und Kurden, Sunniten und Aleviten, Islamisten und Laizisten – wir leben hier alle friedlich zusammen“, betont der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße.

Ein großes Fest mit viel Musik soll denn auch am Sonntag Mut machen, so Demir. Den können die Anwohner und Geschäftsleute der Straße brauchen: Nach dem blutigen Anschlag vor vier Wochen herrscht dort immer noch tiefe Betroffenheit.

Die Keupstraße ist heute zu einem großen Teil von Menschen türkischer und kurdischer Herkunft bewohnt und gilt mit ihren Dönerbuden, Bäckereien, Spezialitätenrestaurants, Reisebüros, Juwelier- und Gemischtwarenläden inzwischen als beliebte Kölner Multikulti-Meile. „Die Straße hat schon ein ganz außergewöhnliches Flair“, illustriert der Mülheimer Bezirksvorsteher Norbert Fuchs gegenüber der taz. Der ehrenamtliche Politiker hat 15 Jahre lang im Sanierungsbeirat gesessen und dabei die Keupstraße in ihrer heutigen Form mit erschaffen.

„In den 1950er Jahren wohnten hier noch gar keine Migranten“, erinnert sich der Sozialdemokrat: „Die kamen erst in den 60er und 70er Jahren, als zum Beispiel die benachbarten Kupferkabel-Betriebe ausländische Arbeiter anwarben.“ Zunächst seien einzelne Männer aus der Türkei gekommen, später hätten sie ihre Familien nachgeholt.

Dass die Keupstraße aber ein „kleines Istanbul“ wäre, sieht Fuchs nicht so. Das treffe höchstens für die Geschäftswelt zu, nicht für die Anwohner. Offiziell seien von denen nur etwas über 50 Prozent Ausländer, habe das Einwohnermeldeamt festgestellt. Die anderen seien Migranten, die inzwischen einen deutschen Pass besitzen, oder eben Deutsche. Gerade in dem Bereich, in dem die Nagelbombe explodiert ist, würden heute noch viele Deutsche wohnen. „Diese Straße ist ein Beispiel für gelungene multikulturelle Integration“, meint Fuchs. Probleme habe es in der Keupstraße vor allem in den 1990er- Jahren gegeben, berichtet Fuchs. Damals habe man mit offenem Drogenhandel, Prostitution und Schutzgelderpressung zu kämpfen gehabt. Inzwischen habe sich das aber beruhigt. „Ja“, vor zehn oder fünfzehn Jahren sei es hier tatsächlich noch „ziemlich wild“ zugegangen, bestätigt Thomas Schallenberg, der hier eine kleine Druckerei betreibt. „Aber das ist doch längst vorbei“, sagt er.

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