Out of T-Mobile

Rudy Pevenage ist Jan Ullrichs Privattrainer und engster Vertrauter.Die Mannschaftsleitung aber missachtet die Ratschläge des Belgiers

AUS CHARTRES SEBASTIAN MOLL

Die Busse der Mannschaften bei dieser Tour de France reisen zumeist zeitig zum Start an, sodass das Gedränge der Fans die Vorbereitungen auf den Tag noch nicht übermäßig behindert. Zwei Stunden bevor es losgeht, ist noch Platz, einen kleinen Raum rund um das Fahrzeug mit bunten Bändern abzusperren und somit den Fahrern, Mechanikern und Sportlichen Leitern Platz zum Arbeiten zu sichern. Diese Zone ist den Teams heilig – und sie wird auch von den glühendsten Verehrern respektiert.

Wenn Rudy Pevenage dieser Tage vormittags durch den Park der Team-Busse spaziert, muss auch er die Zone respektieren. Pevenages einzige offizielle Mission bei der diesjährigen Tour ist seine Tätigkeit bei der ARD. Und so steht er, zwischen andere Reporter und Fans gequetscht, an der Absperrung des T-Mobile-Busses und wartet, bis die Radler sich blicken lassen. Und wie alle anderen wartet er natürlich vor allem auf einen: Jan Ullrich.

Allerdings kann sich der grau melierte Herr darauf verlassen, dass Jan Ullrich früher oder später auch tatsächlich zu ihm herüber kommt: Schließlich ist Ullrich Arbeitgeber des kleinen Belgiers, seit der deutsche Radelstar zu seiner alten Mannschaft zurückgekehrt ist. Pevenage ist Ullrichs Berater – auch wenn Pevenages früherer Partner in der Mannschaftsdirektion, Walter Godefroot, ihn nach dem Überlaufen zum Team Coast und später zu Bianchi eigentlich nicht zurückhaben wollte. Und es tut Jan Ullrich gut, dass Pevenage da steht, es gibt ihm Sicherheit.

Pevenage ist für Ullrich während der Tour rund um die Uhr verfügbar, ob das nun Godefroot gefällt oder nicht. „Meistens reden wir abends ausführlich“, sagt Pevenage, „aber er kann mich immer erreichen, wenn er will.“ Die Gesprächsthemen sind dabei nicht begrenzt: „Wir reden über alles – wir analysieren das Rennen, reden über Taktik, reden über Jans Form, über die Gegner, einfach über alles.“

Dass Fahrer Privattrainer haben, ist nicht außergewöhnlich. Auch Lance Armstrongs Coach Chris Carmichael schleicht vormittags um die Absperrung am US Postal-Mannschaftsbus – und auch auf seiner Jacke prangt nicht der Schriftzug des Teams, sondern des amerikanischen Sportsenders OLN. Allerdings ist Carmichael auch kein ehemaliger Sportdirektor von US Postal, sondern war schon immer nur für die rein körperliche Vorbereitung von Armstrong zuständig. Über das Taktische hingegen spricht Armstrong mit Mannschaftsdirektor Johan Bruyneel – Bruyneel und Carmichael arbeiten Hand in Hand. Das wiederum kann man von Pevenage und Godefroot nicht behaupten.

Auf die Frage, ob er denn mit den Mannschaftsdirektoren Godefroot und Mario Kummer Kontakt habe, antwortet Rudy Pevenage, ja, er unterhalte sich regelmäßig mit Kummer. Den Namen Godefroot meidet er hingegen. Mit Kummer, dem Mann der bei T-Mobile nun seinen Platz im Mannschaftswagen einnimmt, so Pevenage, diskutiere er auch taktische Dinge. Er sage Kummer durchaus seine Meinung, auf dessen Entscheidungen aber habe er keinen Einfluss. Godefroot hingegen hat auf taktische Entscheidungen sehr wohl Einfluss.

Ideal, so Pevenage, sei diese Konstellation freilich nicht. Da Ullrich jedoch sowohl zurück zu T-Mobile wollte als auch weiter mit Pevenage arbeiten, sei es nun einmal so, wie es ist – und unvermeidbar. Pevenage versucht der Lage mittlerweile sogar Postives abzugewinnen: „Ich habe jetzt viel mehr Zeit für Jan, ich habe ja sonst nichts zu tun. Als Sportlicher Leiter muss man sich um 1.000 Dinge kümmern.“ Richtig Freude bereitet ihm das Dasein außerhalb der Absperrung allerdings nicht: „Spaß ist etwas anderes.“

Pevenage sehnt sich nach den Tagen am Steuer des Mannschaftsautos zurück, als er per Funk in das Renngeschehen eingreifen und taktische Konzepte auch durchsetzen konnte. So etwa wie sein Gedanke aus dem vergangenen Herbst, die Machtverhältnisse zu Beginn der Tour umzukehren und zu versuchen, Armstrong von Anfang an unter Druck zu setzen. So wie T-Mobile in der ersten Tourwoche agierte, hatte man den Eindruck, das Godefroot und Kummer diesen Gedanken nicht teilen. Pevenage konnte dazu nur sagen, dass ihm Ullrich schon im Prolog „nicht heiß genug“ vorkam. Das wird er seinem Schützling auch gesagt haben. Was dieser damit anfängt, entzieht sich jedoch Pevenages Kontrolle.