Oft genug Kröten geschluckt

betr.: „Umfrage: SPD auf historischem Tief“, taz vom 3. 7. 04

Dass die gute alte SPD den Bach runtergeht, ist angesichts der unmöglichen Entscheidungen im Sozialbereich nicht verwunderlich. Ich selbst habe als aktiver Gewerkschaftler und SPD-Befürworter in den letzten 30 Jahren oft genug Kröten geschluckt, bin aber in meiner Begeisterung für die SPD nie wankend geworden. Wir haben viel erreicht, und jetzt unter Schröder werden die Alten alles verlieren. Der Realitätsverlust der Genossen ist erbärmlich, eine Cohiba mag durchaus ein Genuss sein, der Preis für eine ist ein Drittel dessen, was ein Langzeitarbeitsloser im Monat zum Leben hat. Perdü SPD.

MANFRED POOCH, Kneitlingen

betr.: „Es ist albern, auf ein Jobwunder zu hoffen“, taz vom 3. 7. 04

Sicher, die Hartz-Gesetze sind nicht sehr schön. Aber wie kam es dazu? Der bedingungslose Glaube an das Produktivitätsparadigma hat in allen westlichen Gesellschaften dazu geführt, dass Arbeit, die nicht rationalisiert und optimiert abläuft, immer weniger bezahlbar wird.

Eine der Folgen ist zum Beispiel jene, dass ein angelernter Industriearbeiter das Zwei- bis Dreifache eines ausgebildeten Erziehers verdient. Das Zusammenschrauben von Karosserien ist der Gesellschaft ein Vielfaches mehr wert als die Kinderbetreuung! Auch manch ein Akademiker kann nur neidisch auf die Industrielöhne blicken. Wer verdient schon 5.000 Mark im Monat (wie im VW-Modell 5.000 x 5.000), wenn er im Sozialbereich, in der Werbung, im Journalismus usw. tätig ist? Gerade in Baden-Württemberg hat sich Bildung über Jahrzehnte hinweg kaum gelohnt, deswegen gibt es hier auch ein massives Problem mit ungelernten Arbeitern. […]

Viele Industriejobs kamen einem Lottogewinn gleich: hohes Einkommen, kurze Arbeitszeit, frühe Rente. Sicher: Solche Lottogewinne verteidigt jeder gern mit Zähnen und Klauen und immer wahnwitzigeren Argumenten. Aber das Produktivitätsparadigma taugt vielleicht für eine Arbeitergesellschaft in abgeschotteten Märkten, nicht aber für ein Erwerbsleitbild, das auf Information, Wissen, Nachhaltigkeit, Forschung, Bildung und Erziehung beruht. Vielleicht macht sich einer von den vielen „linken“ Ökonomen ja einmal Gedanken, wie man Wert und Tauschwert von Arbeit halbwegs wieder in Einklang bekommt. KLAUS WESTERMANN, Neu-Edingen