DER STREIT UM DIE ZUWANDERUNG IST PASSÉ – DIE AUFMERKSAMKEIT AUCH
: Unheimlich still und leise

Ach, was war das für eine Aufregung, als das Zuwanderungsgesetz vor zwei Jahren zum ersten Mal vom Bundesrat beschlossen werden sollte. Sondersitzung! Großes Theater! Mit Roland Koch als lautestem Tischtrommler seit Nikita Chruschtschow. Damals standen sich die Lager unversöhnlich gegenüber. Rot-Grün dafür, die Union dagegen. Und gestern? Alles friedlich, alle stimmten zu. Das erste Gesetz zur Regelung der Zuwanderung war nur noch ein Tagesordnungspunkt unter vielen. Das mag Innenminister Otto Schily freuen. Für die Migranten aber verheißt die Routine, mit der sie abgehandelt werden, wenig Gutes.

So albern das Theater damals war: Die Zuspitzung hatte einen Vorteil. Sie bescherte dem Thema Aufmerksamkeit. Nur weil es um eine machtpolitische Auseinandersetzung ging, wurde über jede Verhandlungsrunde detailliert berichtet. Damit ist es nach der Allparteieneinigung vorbei. Jetzt, da es an die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis geht, dürfte die Öffentlichkeit abschalten. Wen wird es noch interessieren, wenn der Bundesausländerbeirat gegen Abschiebungen protestiert? Wie restriktiv das Gesetz wirkt, hängt davon ab, wie die Anwendungsvorschriften ausfallen. Deren Ausgestaltung aber bleibt den mehrheitlich unionsgeführten Innenministerien in den Ländern überlassen. Kein Wunder, dass CDU und CSU so zufrieden sind. Sie haben es geschafft, der Zuwanderung mit dem Thema „Sicherheit“ ihren Stempel aufzudrücken.

Die rot-grüne Regierung hat ihre Chance, der Migrationspolitik eine andere, liberale Richtung zu geben, freiwillig aus der Hand gegeben. Dabei war es nicht nötig, für die wenigen Verbesserungen die vielen Verschärfungen zu akzeptieren. Es ist eine Legende, wenn die Grünen behaupten, mehr sei leider nicht drin gewesen. Dummerweise haben sie das selbst entlarvt. Als die Grünen kurzzeitig drohten, aus dem Konsens auszusteigen, bestellten sie ein Gutachten, in dem steht, was man alles ohne den Bundesrat beschließen könnte. Wenn man gewollt hätte. Die Liste landete im Papierkorb – und selbst Koch sah keinen Grund mehr, auf den Tisch zu hauen. Warum auch? Er hat bekommen, was er schon vor zwei Jahren wollte: Mitbestimmung bei der Zuwanderungsbegrenzung. LUKAS WALLRAFF