Der Glos im Hals

Parteiboss Horst Seehofer will seinen gefrusteten Minister in Berlin nicht ziehen lassen. Das hat nichts mit Verbundenheit zu tun

AUS MÜNCHEN BERNHARD HÜBNER

Am Abend, nachdem er die Union in die Krise gestürzt hatte, ging Michael Glos tanzen. Als Bundeswirtschaftsminister erschien er beim Ball des Sports in Wiesbaden. Glos, 64, weiße Haare, schwarze Fliege, sagte kaum etwas und lächelte angespannt in die Kameras. Es war eigentlich wie immer.

Wäre da nicht dieser Brief gewesen. Glos hatte ihn am Samstag an den CSU-Chef Horst Seehofer geschickt (siehe Kasten). Das Rücktrittsgesuch war auch ein direkter Angriff. Die Bild am Sonntag bekam eine Kopie.

Seehofer reagierte entsprechend schroff. „Ich habe Michael Glos in einem Telefonat mitgeteilt, dass ich dieser Bitte nicht entspreche“, sagte er. Der Brief sei mit niemandem abgesprochen gewesen, heißt es am Sonntag aus Parteikreisen. Bei Glos habe sich in den vergangenen Tagen viel Ärger auf Seehofer und Merkel angestaut. Es ist ein Moment, in dem die Krise der CSU so offen ans Licht kommt wie selten. Die Umfragen sehen die Partei weiter fernab der so wichtigen 50-Prozent-Marke. Bei der Europawahl droht gar das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde, zumal sich am Wochenende auch die Basis des CSU-Angstgegners, der Freien Wähler, für eine Kandidatur bei der Europawahl entschieden hat. Und der wichtigste Vertreter der CSU in Berlin, der Wirtschaftsminister, ist seines Amtes müde. Doch in der CSU gibt es niemanden, der seinen Posten ausfüllen könnte.

Dagmar Wöhrl ist bislang als Glos’ Staatssekretärin vor allem unauffällig. Peter Ramsauer, der Landesgruppenchef im Bundestag, lehnte schon ab. „Für mich wäre das vorstellbar“, sagt ein gewisser Thomas Bauer der Welt. Bauer ist bislang Vorstand eines Baumaschinenherstellers aus Schrobenhausen und Schatzmeister der CSU. Ein Mandat oder ein politisches Amt hatte er noch nicht. Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, ist Michael Glos im Moment alles, was die CSU zu bieten hat.

Das war nicht immer so. Nach der Bundestagswahl 2005 war der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber auf dem Gipfel seiner Macht und drängte mit aller Kraft nach Berlin. Er sicherte sich das Amt des Wirtschaftsministers und reklamierte für sich alle Zuständigkeiten, die er kriegen konnte. Im kleinen Kreis bezeichnete sich Stoiber damals ganz bescheiden als „zweiter Ludwig Erhard“. Nach seinem Rückzug aus Berlin begann die Macht der CSU zu bröckeln. In seinem grenzenlosen Machtanspruch hatte Stoiber niemanden emporkommen lassen, der das übergroße Loch hätte füllen können, das er in Berlin hinterlassen hatte. So musste Glos einspringen.

Selten fühlte sich ein Minister so unwohl mit seinem Amt. „Ich habe mich nie nach einem Ministeramt gedrängt“, sagte er und plante schon früh seinen Ausstieg aus der Regierung. In Berlin wurde spekuliert, Glos liebäugle mit einem ruhigen Posten als Bundestagsvizepräsident.

Das war im Sommer 2008 – vor dem CSU-Debakel bei der bayerischen Landtagswahl. Seitdem ist Horst Seehofer an der Macht. Er will, dass die CSU im Eilverfahren moderner und offener wird, ihr Personal kompetenter, jünger und charismatischer. So will Seehofer Wähler und den Einfluss der Partei in Berlin zurückgewinnen. Personalentscheidungen trifft der neue CSU-Chef im Alleingang, mit wenig Rücksicht auf Befindlichkeiten seiner eigenen Partei. Den von der Landtagsabgeordneten gewählten Fraktionschef in Bayern, Georg Schmid, wollte er schon wenige Tage später absetzen und in seinem Kabinett an die kurze Leine nehmen. Schmidt wehrte sich erfolgreich. Seehofer hatte für das Manöver nicht den nötigen Rückhalt in der Partei.

Dort herrscht seit Jahren ein strenges Proporzdenken. Oberpfälzer, Niederbayern, Mittelständler, Bauern – alle bayerischen Volksgruppen und Schichten müssen mit Posten bedient werden. Bei der Europawahl installierte Seehofer die Franz-Josef-Strauß-Tochter Monika Hohlmeier aus Oberbayern als Spitzenkandidatin für den Bezirk Oberfranken. Die Basis quittierte es mit Parteiaustritten. Der gelernte Müller Michael Glos ist momentan der einzige gewichtige Vertreter des Bezirks Unterfranken. Ohne in würde das fragile Machtgleichgewicht der Partei weiter geschädigt.

Glos stellte sein Ministeramt schon kurz nach Seehofers Amtsantritt zur Verfügung. Doch Seehofer hielt an ihm fest. Freundschaftlich war das Verhältnis zwischen beiden dennoch nicht. Glos stellte öffentlich Forderungen zur Steuerentlastung, die mit Seehofer nicht abgesprochen waren. Die Parteizentrale war ungehalten und rief ihren Bundesminister schroff zur Ordnung.

Er werde sich mit Glos persönlich treffen, um mit ihm über dessen Gründe für den Rücktritt zu sprechen, sagte Seehofer am Wochenende in München. Er braucht seinen müden Minister.