Per Anhalter zurück in den Süden

Die Miniermotte, auch „Trampermotte“ genannt, verschont in diesem Sommer die Kastanien im Nordwesten. Bis jetzt

von STEPHANIE SILBER

Der Brummi-Fahrer, der in diesen Tagen über norddeutsche Straßen donnert, traut seinen Augen nicht: Immer wieder steht am Wegesrand die kleine Miniermotte, Deckname Cameraria ohridella, und streckt ihren Daumen in die Luft. „Richtung Süden“ steht auf dem Schild um ihren Hals...

Na gut, nicht ganz. „Tatsächlich kam die Miniermotte vor rund drei Jahren höchstwahrscheinlich mit dem Fernverkehr zu uns in den Norden“, weiß Gerhard Doobe, Diplom-Biologe in der Hamburger Behörde für Umwelt und Gesundheit. Das brachte dem Tierchen den Spitznamen „Trampermotte“ ein.

Flächendeckend machte sich das Millionenheer der Motten-larven im vergangenen Jahr über die Blätter der Kastanienbäume her. Baumschützer riefen damals zum Laubsammel-Einsatz – nicht immer mit Erfolg. Erst im Juni fachsimpelten in Braunschweig Experten aus ganz Deutschland auf einer Tagung der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, wie die Invasion der Miniermotte gestoppt werden könne. Anfang des Monats dann die ersten Schreckensnachrichten. „Motte bläst zum Großangriff“, vermeldeten Kastanienreports aus der Mottenmetropole Berlin.

Anders im Nordwesten der Republik. „Der Befall der Kastanien ist in diesem Sommer nicht so stark wie im letzten Jahr zu dieser Zeit“, sagt Doobe. Viele der Motten haben offenbar die Rückreise in den Süden angetreten. Auch Bremen gibt Entwarnung: „Die Situation ist relativ entspannt in diesem Jahr“, sagt Stadtgrün-Mitarbeiter Günter Brandwiede.

Eine Erklärung, warum die Motte hier zu Lande nicht mehr so heiß auf die Kastanie ist, haben die Experten allerdings nicht. „Das warme Wetter bietet der Motte eigentlich ideale Bedingungen“, rätselt Doobe. Vielleicht, vermutet er, gehe es den Bäumen auch nur deshalb besser, weil einem anderen Kastanien-Schädling, dem Blattbräunepilz, in diesem Jahr die feuchte Witterung gefehlt hat.

Zusammen mit Ulrich Zunke vom Institut für Angewandte Botanik der Universität Hamburg leitet Doobe seit April 2002 das Projekt HAM-CAM, auf deutsch: Hamburger Cameraria Projekt. Zurzeit beobachtet der HAM-CAM cirka 1.500 Kastanien im Hamburger Stadtgebiet. Die effektivste Maßnahme im Kampf gegen die Motte ist das ständige Entfernen des Laubes, in dem der Schädling überwintert: „Auch das Laub, welches während des Sommers herunterfällt muss umgehend entsorgt werden“, sagt Doobe. Ob den Kastanien im Norden das Glück auch in den nächsten Wochen noch hold ist, bleibt unsicher. „Schon Ende August könnte sich die Situation wieder verschlimmert haben“, befürchtet Brandwiede.

Hartnäckiger noch als die Miniermotte hält sich zumindest in Hamburg ihr Kompagnon, die Napfschildlaus. Diese ist jedoch wählerisch: „Im Norden Hamburgs ist der Befall schlimmer als in den übrigen Bezirken“, sagt Doobe. Selbst Laubsammeln hilft hier nichts: Die Laus überwintert am Stamm.