Retten und gerettet werden

Das Projekt „Aus Kindern wurden Briefe“ des Centrum Judaicum will die Rettung jüdischer Kinder aus Nazideutschland erforschen. Mit den Schicksalsgeschichten wollen die Initiatoren in heutigen Klassenzimmern Diskussionen anzetteln

von SUSANNE LANG

Deutschland in den Jahren ab 1933, ein ganz gewöhnlicher Tag an einer beliebigen Schule, es ist „Rassenkundeunterricht“. Plötzlich steht man als jüdischer Schüler oder Schülerin vor der ganzen Klasse, bloßgestellt als Anschauungsbeispiel für die „untere, niedere Rasse“, die Mitschüler starren und lachen.

Wie muss sich das anfühlen? Wie erträgt man die Diskriminierung? Erträgt man sie überhaupt oder flieht man in ein anderes Land? Wie würde man es dort aushalten, als Kind ohne die Eltern? Diesen und ähnlichen Fragen will das Projekt „Aus Kindern wurden Briefe. Rettung jüdischer Kinder aus dem Nazideutschland – Recha Freier und Käte Rosenheim“ in Kooperation mit Schulen nachgehen.

Gefördert wird das Projekt durch das Programm „entimon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ des Bundesfamilienministeriums. Initiator ist die Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“, die im Herbst eine Ausstellung zum Thema zeigen wird.

„Uns geht es darum, das Thema Antisemitismus in einer für Kinder und Jugendliche ansprechenden Form in Schulen zu tragen“, erklärt Gudrun Maierhof, eine der Initiatorinnen des Projektes und Kuratorin der Ausstellung. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung soll der Alltag und die Bedrohung von Kindern einer Minderheit in totalitären Systemen stehen. Maierhof möchte die Diskussion im Unterricht anregen. „Wichtig ist uns, eine Unterrichtseinheit oder eine Veranstaltung gemeinsam mit Schülern und Lehrern zu entwickeln.“ Ein Schwerpunkt soll auf der Begegnung der Jugendlichen mit ZeitzeugInnen liegen. Bisher haben sechs Schulen Interesse signalisiert. „Über weitere Schulen würden wir uns freuen“, so Maierhof. Vor allem aus Brandenburg, da dort das Problem Rechtsradikalismus besonders virulent sei. Angesprochen sind alle Jahrgangsstufen an Realschulen und Gymnasien.

„Es wäre schön, wenn Klassen in die Vorbereitung der Ausstellung einbezogen werden könnten“, betont Maierhof. Die Perspektive der Ausstellung richtet sich dabei weniger auf die Kinder, sondern auf die Helfer, die die Transporte organisierten.

„Dieser Bereich ist noch kaum erforscht“, so Maierhof. Die Konzentration auf die Figuren Rosenheim und Freier soll das Spannungsfeld zwischen Illegalität und Legalität spiegeln, in dem sich die Rettungsaktionen bewegten: Käte Rosenheim, die im Rahmen der etablierten Organisation „Reichsvertretung der deutschen Juden“ auf legale Weise für Kinderauswanderung arbeitete, und Recha Freier, die jüdische Jugendliche mit Tricks nach Palästina ausschleuste.

Informationen unter Tel. 30 30 89 35 oder per E-Mail: Maierhof2@aol.com