Rheinischer Trübsinn auf der jecken Messe

Wer sich auf der diesjährigen Interkarneval über die neuesten Angebote der Branche informieren wollte, war am falschen Ort. Richtig war, wem der Kölner Christopher Street Day als sommerlicher Karnevalsersatz nicht genügt

Köln taz ■ Wir haben es wissenschaftlich: In einem Vortrag über Volksbräuche sprach ein deutscher Romanist einmal über unseren „Karneval in seiner rheinischen Reduktionsstufe“. Nun, wer am Rhein lebt, schließt sich diesem ungnädigen Urteil nicht gern an. Schließlich will man ein Teil der feiernden Gemeinschaft und kein Nestbeschmutzer sein. Am Ende werfen beleidigte Karnevalisten mit faulen Eiern statt mit süßen Kamellen und jagen den kritischen Geist unter Verwünschungen aus der Stadt. Immerhin ist Aggression gegen Andersdenkende auch ein alter Volksbrauch.

Und trotzdem: Wer die diesjährige Interkarneval, die jecke „Erlebnismesse“ in Deutz, besucht hat, kann sich des traurigen Eindrucks nicht erwehren, dass der rheinische Karneval ziemlich viel mit Reduktion zu tun hat, genauer: mit reduziertem Angebot, reduzierter Phantasie und reduziertem Geld.

Schon die pure Quantität enttäuschte. Wenig sah man hier, ganze Hallenteile blieben leer, dabei waren nur zwei Hallen für Messestände reserviert, in drei weiteren spielten sich Show Acts ab. Deshalb wohl auch das Label „Erlebnismesse“, denn viel zum Kaufen oder Begutachten gab es nicht. Wer sich, wie sonst auf Messen üblich, über die neuesten Angebote der Branche informieren wollte, war hier falsch.

Hier war am rechten Platz, wer sich über buntgemusterte Stoffe im Stil von „Rudis Resterampe“ freuen kann, wer immer schon mal wissen wollte, wie ein handelsüblicher Karnevalswagen gebaut wird, und wer angesichts von T-Shirt-Aufschriften wie „Ich Chef, Du nix“ oder „Viva Colonia“ nicht in dumpfe Humorlosigkeit der trübseligsten Art verfällt. Hier war richtig, wem der Christopher Street Day als sommerlicher Karnevalsersatz nicht genügt, wer auch im Juli gern Stimmungslieder vor der Bierzeltbühne hört – mit einem Wort: wer für drei tolle Sommertage seinen Karneval gern so hat, wie er immer ist.

Und zwar mit den üblichen Requisiten: Masken, Perücken, Orden, Wurfschokolade, Luftballons – alles nicht neu, alles schon zigfach gesehen. Auffällig dagegen die Präsenz von Ausstellern, deren Angebot gar nicht oder nur peripher mit jecken Festivitäten zu tun hat. Versucht da jemand, angesichts schlechter Zeiten auf Teufel komm raus Standgebühren zu ergattern?

Eine Firma von der Nahe schenkt süße Weine aus. Das erste Mal auf der Karnevalsmesse? Ja, das erste Mal. Ein Stück weiter dann die Initiative „Väteraufbruch für Kinder“ mit reichlich Infomaterial über getrennt lebende Väter, denen der Nachwuchs vorenthalten wird. Was tun die hier, zwischen Pappnasen und Hexenbesen? Auf Nachfrage kommt Ausweichendes: „Hat sich so ergeben...Warum sollten wir nicht hier sein?“

Ja, warum eigentlich nicht. Platz ist ja genug da. Bei etwas mehr Vielfalt und Kreativität im Angebot der Faschingsgrossisten wäre das sicher anders. Nichts gegen Weißwein und elterliches Engagement, wirklich nicht. Aber eine interessante Karnevalsmesse mit witzigen Ideen und Kostümen, die auch nur halb so phantasievoll aussehen wie die am Weiber-Donnerstag auf dem Chlodwigplatz, braucht Aussteller, die sich genauso für ihre Sache ins Zeug legen wie gewisse Väter. Holger Möhlmann