Kein Refugium für Altlinke

Zweimal ist der Kölner Q-Hof in den 15 Jahren seines Bestehens umgezogen, viele Stammgäste zogen mit. In der Hausbesetzerzeit entstanden, ist die Kneipe heute auch jungen Linken eine Heimstatt

Von Christian Gottschalk

Das Konzept der Jubiläumsfeier war schlicht: 14 Leute legen Musik auf und das Bier wird billiger verkauft. Dazu lief, so nebenbei, eine kleine Dia-Show mit Bildern aus 15 Jahren Q-Hof. Ein fast normaler Kneipenabend also am vergangenen Freitag in der Limburger Straße.

Es ist aber voller als sonst und vielleicht ist der Altersdurchschnitt der Gäste etwas höher, denn auch jene sind zum Gratulieren und alte Freunde Treffen gekommen, die nicht mehr ganz so oft ihr Bier an dieser Kölner Theke trinken. Zweimal ist die Kneipe in 15 Jahren umgezogen, und dennoch blieben ihr viele Gäste treu. „Vielleicht liegt es daran, dass wir uns treu geblieben sind in unserer Konzeptlosigkeit“, sagt Chefin Sabine.

Im Januar 1989 gehört Köln zu den Hochburgen der Hausbesetzerbewegung in der Bundesrepublik (incl. West-Berlin). Damals übernehmen neue Leute den Kurfürstenhof an der Bonner Straße. Schnell entwickelt sich der Kurfürstenhof zum Wohnzimmer der linken Szene. An der Theke sitzen der Anti-Imperialist und der undogmatische Linke friedlich beisammen. Nach Aktionen kann man sich hier austauschen und – je nach Stand des Alkoholpegels und der Überwachungsparanoia – auch mal mit seinen Taten prahlen.

Nach zwei Jahren läuft der Pachtvertrag aus, die Kneipe zieht um ins Kunsthaus Rhenania, wo die Künstler und Musiker aus dem geräumten Stollwerck ihre Ateliers und Proberäume haben. Die Q-Hof-Crew übernimmt einen Raum und bastelt eine Kneipe daraus: eine Theke, ein paar Tische, Billard, Kicker, Flipper (ohne sexistische Motive). Der Kurfürstenhof, im autonomen Abkürzungswahn längst zum Ku-Hof mutiert, nennt sich von nun an Q-Hof.

Im Rhenania gibt es eine große Halle und den „Nordkeller“. Bald gründet sich an der Theke die Konzertgruppe „Butter bei de Fische“ und holt in den folgenden Jahren alles, was in Punk und Hardcore einen Namen hat, nach Köln: Fleisch, Molotov Soda, Life but how to live it, Fugazi, Youth Brigade, Slime, ...But alive , WIZO, Chumbawamba, Graue Zellen und viele andere mehr.

Der Q-Hof im Rhenania ist eine Art Ersatz-AZ. Die Konzerte kosten fünf oder sechs Mark für eine Band, zehn für zwei. Das ist praktische Politik. In der Konzertgruppe arbeitet auch Rainer Ott: „Die Leute kamen teilweise zu Konzerten, nicht weil sie die Band kannten, sondern weil es ein 'Butter bei de Fische'-Konzert war.“ Zwei Dinge sind seinerzeit bei solchen Veranstaltungen recht üblich. Bei vielen Konzerten kommt zwischendurch jemand von den Anti-Imperialisten auf die Bühne, um etwas „zu den politischen Gefangenen“ zu sagen. Bei größeren Konzerten werden regelmäßig Männer rausgeschmissen, die die recht hohen Standards der political correctness nicht einhalten.

In jener Zeit gründet sich auch die Thekenmannschaft „Bumm Bumm Q-Hof“, heute „Avanti Bumm Bumm“, die damals ihre raren Siege gerne mit rotem Genever aus dem Pokal begießt. „Das Blut des Gegners“. Harte Zeiten. Irgendwann kommt es zu Streit zwischen den Künstlern aus dem Kunstverein und der Kneipenbelegschaft. Im Kern wirft man sich gegenseitig vor, es ginge dem anderen doch nur um Geld und nicht um Ideale.

Der Q-Hof verlässt das Rhenania. Doch zuvor schafft er noch zwei unvergessene Ereignisse: das Festival „Die letzte Butterfahrt“ und eine Abschlussparty, in deren Verlauf die Kneipe wieder in jenen Urzustand zurückversetzt wird, in dem sie übernommen wurde. Trotz viel Alkohol am Vorschlaghammer kommt niemand zu Schaden.

Seit 9 Jahren hat der Q-Hof seine Heimstatt jetzt an der Limburger Straße. Direkt neben der Vergnügungshölle „Ringe“ gelegen, verkauft er immer noch keine Cola. Wegen des Imperialismus'. Der rote Genever ist irgendwie out, stattdessen gibt es Sauren nach dem original Rezept aus der Hamburger Hafenstraße. In all den Jahren ist es dem Q-Hof gelungen, kein Refugium für versoffene Altlinke zu werden, sondern immer neuen Generationen junger Menschen links der Jusos eine Heimat zu geben. Herzlichen Glückwunsch Q-Hof.

Der Autor hat seit 15 Jahren im Q-Hof einen Deckel.