Unsterblichkeit bewiesen

Der Bremer Domchor meistert Bachs „Hohe Messe in h-Moll“ im St. Petri-Dom

Selbstverständlich kennt der Leiter des Bremer Domchores Wolfgang Helbich die 1982 veröffentlichte These des amerikanischen Bachforschers Josua Rifkin, die Uraufführung von Johann Sebastian Bachs „Hohe Messe in h-Moll“ hätten nicht mehr als 24 Sänger gesungen. „Das größte musikalische Kunstwerk aller Zeiten und Völker“, so Hans Georg Nägeli 1818, bringt jeden Chorleiter immer wieder in die Verlegenheit einer Entscheidung, wenn man bedenkt, dass ein Laienchor auch ein sozialer Organismus ist, aus dem man nicht einige SängerInnen einfach aussortieren kann. Und das schon gar nicht, wenn sich der Chor im Rahmen der Bremer Chorolympiade präsentiert.

Gewiss waren es über hundert, die da die überdimensionalen chorischen Anforderungen sowohl technisch als auch inhaltlich bewältigten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie Helbich diesem Chor trotz seiner Größe stimmliche Schlankheit, saubere Artikulation und strukturelle Transparenz abverlangen kann. Letzteres ist umso bewunderswerter, als die alles verschlingende Akustik im St. Petri-Dom sich natürlich nicht verändert. Man muss „nur“ mit ihr umgehen, und das kann Helbich: auch in atemberaubenden Tempi wie im „Cum Sanctu“, im „Osanna“ oder im „Et resurrexit“, jener unglaublichen Stelle, in der Chor und blechlastiges Orchester so in die Höhe jagen, dass ein berühmter Mensch einmal gesagt hat, diese Stelle sei „ein Beweis für die Unsterblichkeit“.

Angesichts der enormen Anforderungen überhört man gerne den Technik- und Spannungsverlust im „Pleni sunt coeli“, denn danach ging es wieder wunderbar aufwärts. Maßgeblichen Anteil an der Bildhaftigkeit der Aufführung – zum Beispiel den „Schlägen“ im „Crucifixus“ – hatte die Kammersinfonie Bremen, die, ohnehin barockerfahren, weitgehend überzeugend auf historischen Instrumenten spielte. Schade, dass es als Programmheft nur einen simplen Zettel gab, auf dem noch nicht einmal die wichtigen InstrumentalsolistInnen genannt waren.

Auch die SolosängerInnen überzeugten: glockenrein Anja Metzger, ergreifend Franziska Gottwald, stilsicher Manfred Koch und an erster Stelle Klaus Mertens mit seinem charismatischen Bass. Außerhalb der Wettbewerbe der Chorolympiade war dies ein großes Zeugnis bremischer Leistung, das im ausverkauften Dom mit stehenden Ovationen endete.

Ute Schalz-Laurenze