Die Spur ist das Ziel

Im Bremer Künstlerhaus am Deich inszeniert der Peruaner David Zink Yi eine Suche nach dem König der Lüfte. Der heißt Harpyie Adler, lebt im Amazonas und will sich an der Weser partout nicht zeigen

Spanisch brabbelt es aus Lautsprechern. Und nicht nur wegen der fremden Sprache ist die Männerstimme schwer zu verstehen – sie verliert sich im leeren Ausstellungsraum. Zwei Videobeamer projizieren Filme auf eine Leinwand und auf den Fußboden. An der Wand übersetzt ein Spruchband den Klangteppich: „Hier in Madre de Dios haben wir angefangen, den Harpyie Adler zu beobachten, den größten und mächtigsten Adler der Welt…“

Mit der Installation „Umgehung der Baumkronen“ des Künstlers David Zink Yi verwirklicht Susanne Pfeffer ihr neues Konzept. Seit Januar leitet sie das Künstlerhaus am Deich. Bislang legte das Haus einen Schwerpunkt auf den Kunst-Diskurs und organisierte gerne Symposien – Pfeffer hingegen bevorzugt die Nutzung als Galerie. Jeweils vier Wochen lang soll der Raum einzelnen Künstlern zur Verfügung stehen.

Dabei stellt die Installation „Umgehung der Baumkronen“ einen guten Übergang zwischen Theorie und Praxis dar. Denn David Zink Yis Arbeit lebt durch das Konzept: Tatsächlich zu sehen gibt es hier wenig. Der peruanische Künstler folgt den Spuren eines Raubvogels, doch nichts liegt ihm ferner, als den König der Lüfte wirklich abzubilden – die Leinwand zeigt lediglich einen Baumstamm, an dem die Kamera langsam nach oben fährt. In solchen Bäumen des Regenwalds nistet der Harpyie. Doch die Kamerafahrt bricht ab, bevor ein Nest ins Bild kommen könnte. Kurz vor der Krone beginnt das Video von vorn.

David Zink Yi, der seit zehn Jahren in Deutschland lebt und sich in Berlin niedergelassen hat, sieht sein Werk als „Weg durch die Textur“. Er zeigt Spuren, die es zu lesen gilt – den Baumstamm auf dem einen Video, auf dem anderen einen Waldweg: Was bleibt, ist die Dokumentation einer Suche. Das Ziel wird nicht gezeigt. Die Zeichen bleiben leer – nur ihre Struktur setzt sich fest im Gedächtnis.

Auf dem Video, das auf den Galerie-Boden projiziert wird, folgt David Zink Yi einem befreundeten Biologen durch den Regenwald. Zu sehen sind nur ihre Füße, die über Zweige treten und sich zwischen den Farnen einen Weg bahnen. Die Stimme im Off gehört zum Biologen: Antonio Fernandini Guerrero erzählt vom Amazonas, und wie sich die Harpyie-Eltern um ihren Nachwuchs kümmern. Die Energie und Fürsorge dieser Vögel würden in ihrer „majestätischen Macht“ sichtbar. Doch diese Begriffe bleiben ebenso abstrakt wie die Krone des Harpyie.

Der Betrachter bleibt auf seine Vorstellungskraft angewiesen. Und während er sich sein Adlerbild konstruiert, spricht Biologe Guerrero: „Dieser Adler trägt eine Krone. Es handelt sich dabei um eine Doppelhaube, die einem das Gefühl gibt, der Adler könnte Gedanken lesen.“ Kopflastige Angelegenheit, also. Das allerdings angenehmer Weise in der Praxis, und nicht in der Theorie. Axel Lerner

bis 8. 8. im Künstlerhaus am Deich