Grüne Pflegeprobleme

Ganz sofort wollen die Grünen die Pflegeversicherung nicht abschaffen. Behindertenbeauftragter begeistert

BERLIN taz ■ So wollen es die Grünen nicht gemeint haben. „Die Pflegeversicherung muss verbessert, aber nicht abgeschafft werden. Für eine derartige Debatte ist es jetzt noch zu früh“, erklärte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Petra Selg, gestern der taz. Dass ihre Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt aber genau dies – dass die Pflegeversicherung „aufzugeben“ sei – gegenüber der Berliner Zeitung erklärt hatte, war laut Selg „nicht autorisiert“ und ein Kommunikationsfehler. Das Büro Göring-Eckardt erläuterte gestern: Nicht von Abschaffung, lediglich von Reform sei die Rede gewesen. Ach so.

Wie auch die Sprecherin der Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) forderte Selg, den Abschlussbericht der Rürup-Kommission Ende dieses Monats abzuwarten, bevor man in eine Pflegediskussion einsteige. Was die Sozialsystem-Sanierer sagen werden, ist jedoch seit sechs Wochen bekannt: Die Kommission spricht sich dafür aus, das „fünfte Bein“ der Sozialversicherungen eigenständig zu erhalten. Um jedoch den Beitragssatz von 1,7 Prozent zu halten, müssten die Rentner ab 2010 stärker belastet werden. Auch solle die teure Heimpflege „unattraktiver“ gemacht werden. „Ich stimme mit Rürup zu achtzig Prozent überein“, sagte Selg gestern dazu.

Die Pflegeversicherung ist in der Kritik, seitdem im Frühjahr ihre Finanzlage veröffentlicht wurde: Die Pflegekassen haben 2002 ein Minus von 400 Millionen Euro gemacht, dieses Jahr wird noch schlechter. Rot-Grün jedoch will erstens zunächst die Gesundheitsreform schaffen und deshalb die Pflegekassen in Ruhe lassen. Zweitens haben diese, erklärte Schmidts Sprecherin gestern erneut, noch ein Finanzpolster von fünf Milliarden Euro: Das dürfte ein Weilchen reichen.

Nur einer aus dem Regierungslager freute sich über Göring-Eckardts Vorstoß: der Behindertenbeauftragte Karl Hermann Haack (SPD). „Natürlich muss die Pflegeversicherung mit der Krankenversicherung wieder zusammengelegt werden“, sagte Haack zur taz. „Wenn die Regierung ihr Versprechen ernst nimmt, mehr Transparenz und weniger Bürokratie zu schaffen, dann muss sie sofort handeln.“ Auch der „Vater der Pflegeversicherung“, Exsozialminister Norbert Blüm (CDU), habe Anfang der 90er-Jahre eine Pflegeversicherung in der Krankenversicherung gewollt. Nur der Koalitionspartner FDP habe darauf gedrängt, „aus Gründen der Transparenz“ eine eigenständige Versicherung aufzubauen. In Wirklichkeit jedoch, sagte Haack, könnten die Pflegeleistungen ebenso gut von den Krankenkassen übernommen und dadurch Zeit und Geld gespart werden: „Schiebereien zwischen den beiden Kassensorten würden verhindert“, und Betroffene kämen zügiger zu ihren Leistungen. UWI