Frauen weg von der Front

Die niedersächsischen Gemeinden wollen die Pflicht-Frauenbeauftragte abschaffen. Die Hüterin weiblicher Belange ist den Kommunen zu teuer

Hannover taz ■ „Vielleicht brauchen wir mehr männliche Mitarbeiter in den Kindergärten, vielleicht könnte in einigen Behörden die Beauftragte tatsächlich wegfallen“, sagt Ursula Thümler und meint damit, dass sie sich nicht komplett gegen anstehende Änderungen in der niedersächischen Gemeindeordnung sperren will. Eins will die Vorsitzende des Landesfrauenrats aber auf jeden Fall verhindern: Dass Städte ab 20.000 Einwohnern in Zukunft nicht mehr eine Frauenbeauftragte bestellen müssen.

Das ist nämlich der Plan des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, der in die Novelierung der Gemeindeordnung nach der Sommerpause einfließen soll: „Die Pflichtbeauftragte stört uns“, sagt Gemeindebund-Sprecher Thorsten Bullerdiek. „Das Land muss sagen: Betreibt Frauenpolitik. Dann sollen die Bürgermeister ihren Kopf dafür hinhalten – 50 Prozent der Wähler sind doch Frauen.“ Sein Vorschlag: Aus der Muss- soll eine Kann-Bestimmung werden. Bullerdiek: „Gemeinden sollen selbst entscheiden, ob sie eine Beauftragte wollen.“ Er fürchtet ein „Beauftragten-Unwesen“.

Die Stadt Hannover entschied sich schon 1986 für eine Hüterin weiblicher Belange – freiwillig. Seit 1994 gibt es im Land – wie heute auch in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen – eine „Pflichtbeauftragte“ für Gemeinden ab 10.000 Einwohner. 50 niedersächsische Kommunen gingen 1994 gegen die Regelung vor den Kadi. Teilweise mit Erfolg. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg wies die Klage zwar ab, befreite jedoch Gemeinden mit weniger als 20.000 Menschen von der Vorschrift.

Der Grund für den Widerstand sind die Kosten. 466 Frauenbeauftragte gibt es im Land, nach Angaben des Gemeindebunds kostet eine Stelle zwischen 70.000 und 100.000 Euro im Jahr. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben in Niedersachsen auf 40 Millionen Euro. „Die zu haben oder nicht, kann entscheidend sein“, meint Bullerdiek.

Die Betroffenen sehen das natürlich anders. Nicht nur bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst wirkten die Beauftragten gegen eingefahrene Männerseilschaften, betont Ursula Thümler vom Landesfrauenbund. Und: „Die Frauenbeauftragte motiviert viele, sich zu trauen.“ Jüngstes Beispiel: Beim zweiten niedersächsischen Mentoring-Programm „Frauen in der Kommunalpolitik“ hätten die Beauftragten „viel bewirkt“, 600 Frauen beteiligten sich.

Inzwischen hat Thümler auch mit Frauenministerin Ursula von der Leyen (CDU) gesprochen. Und glaubt jetzt, dass es nicht zur totalen Kassierung der Regelung kommen wird. Thümler: „Ich habe das Gefühl, dass da keiner ganz grundlegend bluten muss.“ Kai Schöneberg