Die Definition der Leiche

Streit um Ausstellung „Körperwelten“: Organisator Gunther von Hagens kündigt Absage an, wenn Hamburger Bezirksamt Auflagen nicht zurückzieht. Die Behörden hatten einzelne Exponate zensiert. Jetzt soll ein Gutachten Klarheit schaffen

Aus Hamburg ELKE SPANNER

Ob die Leichenschau „Körperwelten“ ab Ende August in Hamburg zu sehen sein wird, ist wieder in Frage gestellt. Plastinator Gunther von Hagens hat gestern erklärt, dass er seine Ausstellung nur unzensiert oder gar nicht zeigt. Sie unverändert zu übernehmen, ist aber das zuständige Bezirksamt Mitte nicht bereit: Am Vortag hat Verwaltungschef Markus Schreiber von Hagens schritliche Auflagen zugestellt.

Schreiber hat nicht nur untersagt, in der Ausstellung Lebensmittel zu verzehren und Souvenirs zu verkaufen. Er hat auch verlangt, sieben Exponate aus der Schau herauszunehmen. So darf ein „Torwart von unten“ nicht gezeigt werden, ebensowenig ein „Schubladenmann“ und das „Scheuende Pferd mit Reiter“. Die Begründung: „Klamauk mit Leichen werden wir nicht zulassen.“ Schreiber beruft sich dabei auf den Schutz der menschlichen Würde auch nach dem Tod sowie auf das Bestattungsgesetz.

Dem hält Ausstellungsmacher von Hagens entgegen, dass etliche der zensierten Exponate nicht als Leichen im Sinne des Bestattungsgesetzes einzuordnung sind – und deshalb auch nicht verboten werden können. Das „betende Skelett“ beispielsweise sei ein Skelett und deshalb keine Leiche. Darüber hinaus dürfe es „schwer fallen durchzusetzen, dass in Hamburg ein nach unten links hechtender Torwart nicht präsentiert werden soll, in München aber ein zur rechten Seite hechtender Torwart gezeigt werden darf“. Zudem werde auch das Verbot Schreibers vor Gerichtkeinen Bestand haben, ein präpariertes Pferd zu zeigen. „Da die Würde des Pferdes nicht einklagbar ist“, sagte der Austellungsmacher gestern, „dürfte auch einer Forderung nicht nachzukommen sein, das Plastinat Scheuendes Pferd nicht zu zeigen“.

Trotz der Auflagen geht von Hagens weiterhin davon aus, dass die Ausstellung in Hamburg unzensiert gezeigt werden darf. Die „Besorgnis des Bezirksamtes mit dem Wunsch auf Ausstellungszensur“ sei nur auf unzureichende Informationen über die Ausstellung zurückzuführen. Um diese Lücke zu schließen, hat von Hagens ein Gutachten über die rechtliche Bewertung seiner Exponate vorgelegt und einen Anwalt eingeschaltet.

Für von Hagens ist die Leichenschau eine Form der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung. Und gerade umstrittene Plastinate würden das Gesundheitsbewusstsein der Besucher steigern. Für Hamburg kündigte er wegen des Standortes der Ausstellung an der Reeperbahn spezielle Exponate zur „Anatomie der menschlichen Fortpflanzung“ an. Auch diese will die Behörde vorher sehen. „Da, wo wissenschaftliche Zwecke nicht mehr erkennbar sind, findet das Ganze seine Grenzen.“