Weit gereiste Taschen für die Welt

Das Berliner Taschenlabel „in july“ ist ein Geheimtipp und die beiden erfolgreichen Produzentinnen arbeiten so gar nicht nach dem Mainstream der New Economy. Ihr Material sind feine Stoffe aus Fernost oder auch Rucksäcke von Asien-Travellern

von SEBASTIAN GALINDO

Gibt es noch Menschen mit einem großen Traum: das Hobby zum Beruf machen und jede Menge Geld verdienen? Zwei junge Frauen scheinen auf dem besten Wege dorthin – trotz Wirtschaftsflaute und massiver Sparmaßnahmen. Anastasia Rymer und Ngoc Duong vom Berliner Taschenlabel „in july“ entsprechen so gar nicht den typischen Jungunternehmerinnen. Dennoch wäre so mancher New-Economy-Auf-und-wieder-Absteiger neidisch, angesichts der Arbeit, den Geschichten und der Materialbeschaffung der beiden 27- und 29-jährigen Frauen.

Rymer und Duong reisen jährlich mehrere Monate nach Indien und Thailand. Dort suchen sie feinste, aber auch ausgefallene Stoffe und Materialien wie Regenjacken oder Schlafsäcke, die sie von Asien-Travellern ergattern. Zurück in Kreuzberg werden im Atelierzimmer die ersten Entwürfe der meist nur 20 bis 30 Exemplare umfassenden Kollektionen gefertigt. Dabei ist jede Tasche – ab 50 Euro aufwärts – ein Unikat.

„Angefangen hat das als Spaß. Wir haben uns an Wochenenden getroffen und Taschen genäht“, erzählt Ngoc, eine gelernte Damenschneiderin. Vor vier Jahren hat sie die angehende Innenarchitektin Rymer beim Kellnern in Düsseldorf kennen gelernt, dort ihre gemeinsame Näh-Leidenschaft entdeckt und den Plan geschmiedet, ein Jahr lang Geld zu sparen, um in Amsterdam „Taschen für die Welt zu produzieren“. Ohne Erfolg.

Der Neubeginn in Berlin war gewinnbringender, entstanden doch hier die ersten Modelle aus Thai-Seide, aber auch aus Luftmatratzen und Muscheln. Das Besondere ist bis dato die Vielfalt von Farben, Form und Material. Inzwischen kaufen selbst ausgewählte Läden aus Berlin und in der gesamten Republik die Produkte von „in july“ – der Name steht für Sommerfrische. „Momentan bauen wir Beziehungen zu Wien und anderen Städten auf“, erklärt Anastasia. „Doch wir wollen unser Unternehmen gesund halten und sind daher vorsichtig mit großen Schritten.“

Klein ist auch die Personalstruktur der Firma: „Da wir zusammen wohnen, arbeiten und leben, macht jeder mal etwas anderes. Momentan ist Ngoc für die Public Relation zuständig und ich für die Farbauswahl in Indien“, beschreibt Anastasia ihre Beziehung zur Geschäftspartnerin.

Ganz neu im Programm ist „in july market“. Dabei wurden vietnamesischen Hausfrauen ihre Taschen abgekauft. Die wurden in Berlin weiterentwickelt und „mit dem typischen july-Charakter versehen“. Jede Tasche erhält durch farblich unterschiedliche Applikationen, Stickereien oder Verzierungen ihr individuelles Aussehen.

„Unser Geschäft ist ein Selbstläufer“, resümieren die beiden, die den Spaß an der Arbeit nicht verloren haben – und schon wieder von Veränderungen träumen: von zusätzlichen Näherinnen und Praktikanten für ihren Betrieb.