Händler zurück im Tempel

Das klamme katholische Erzbistum plant den ersten Kirchenverkauf. Kontakte mit benachbarten Autohändlern in Waidmannslust wurden schon geknüpft. Betonkirche in Kreuzberg droht Abriss

von PHILIPP GESSLER

Vor 2.000 Jahren hatte Jesus noch Händler aus dem Tempel vertreiben. Nun scheint die katholische Kirche sie zurückzuholen. Denn die Finanzkrise des Erzbistums drängt die Sparkommissare von Kardinal Georg Sterzinsky zu immer härteren Maßnahmen: Der Abriss von Kirchen ist nicht ausgeschlossen. Als Erstes wird es wohl St. Agnes in Kreuzberg treffen. Die Sanierung der bröckelnden Betonkirche gilt angesichts der Finanznot der Diözese als zu teuer. Auch der Verkauf einer Kirche scheint schon ausgemachte Sache: Es trifft die Gemeinde Regina Mundi in Waidmannslust – Kontakte zu benachbarten Autohändlern wurden bereits geknüpft.

Der Pfarrer von Regina Mundi, Niklas Weinges, bestätigte der taz, dass das Erzbistum seine Kirche „irgendwann einmal“ werde verkaufen müssen – länger als zehn Jahre werde man darauf nicht warten, so seine Einschätzung. Die Betonkirche sei ein „nüchterner Zweckbau“, der dem üblichen Bild einer Kirche mit Glockenturm nicht entspreche. Man könne sich „ausrechnen“, dass die vielen Autohäuser in dem Industriegebiet Interesse an dem Objekt haben könnten.

Stefan Förner, Pressesprecher des Erzbistums, dementiert den möglichen Verkauf der Kirche Regina Mundi nicht, betont aber, dass noch nichts beschlossen sei. Bei einem „ersten Sondierungsgespräch“ der Immobilienexperten der Diözese mit Pfarrer Weinges am Mittwoch sei noch nichts entschieden worden: weder über einen Verkauf noch über einen Abriss. Allerdings räumte Förner ein, dass sich die Mitarbeiter des Ordinariats bei benachbarten Autohäusern einige Visitenkarten mitgenommen hätten. Es gebe Überlegungen, durch den Verkauf von Regina Mundi die Renovierung der Nachbarkirche Christkönig in Lübars zu finanzieren, so Förster. Der 68-jährige Pfarrer Weinges betreut schon seit einigen Jahren neben Regina Mundi auch Christkönig und die Gemeinde Maria Gnaden in Hermsdorf.

Seit 25 Jahren ist Weinges Pfarrer im Norden Berlins – und wenn man ihn fragt, ob er verärgert sei, weil nun die einzelnen Gemeinden die Suppe auslöffeln müssten, die die Bistumsleitung eingebrockt habe, sagt er nur: „Genau so ist es.“ Bei ihm sei schon auch einmal die Wut hochgekommen. Und „zynisch“ sei, dass nun die Gemeinden selbst Mitarbeiter entlassen oder Arbeitsverträge mit weniger Stunden anbieten müssten, während sich die Herren im Ordinariat „vornehm zurückhalten“. Aber: „Es hilft ja nichts, nur verbittert zu sein.“ Er bleibe Pfarrer auch bei der anstehenden formellen Fusion seiner drei Gemeinden.

Bistumssprecher Förner verweist darauf, dass neben der Fusion der Gemeinden und dem geplanten Personalabbau jede Gemeinde verpflichtet sei, in fünf Jahren ein Viertel ihres Immobilienbesitzes abzustoßen – nur in Einzelfällen sollten dies Kirchen sein. Gedacht sei eher an den Verkauf von Gemeindehäusern und Ähnlichem. Zudem laufe bei solchen Entscheidungen dann „nichts ohne den Segen des Kardinals“.

Konkreter aber scheinen die Ideen für einen Abriss einer Kirche bei St. Agnes in Kreuzberg zu sein. Förner zufolge sind Betonkirchen wie diese besonders problematisch, da der Baustoff etwa alle 30 Jahre saniert werden müsse – sonst könnten sich Wandteile, etwa wegen eingedrungener Feuchtigkeit, absprengen. Zwar sei auch bei St. Agnes noch keine Entscheidung für den Abriss gefallen. Klar sei aber, dass die „siebenstellige Summe“, die eine Sanierung kosten würde, „im Moment nicht vorhanden ist“. Immerhin habe man sich entschlossen, St. Martin, eine ähnliche Betonkirche des gleichen Architekten im Märkischen Viertel, zu sanieren.