Maut für fette Fußgänger

Endlich greifen die Behörden durch: Deutsche Bürgersteige werden gebührenpflichtig

Die zunehmende Zahl von Giganten der Gehwege schafft fast unlösbare Probleme

München, Fußgängerzone: Eine uniformierte Hostess winkt einen schwergewichtigen amerikanischen Touristen aus dem endlosen Strom der Fußgänger und erklärt ihm in tadellosem Englisch, dass er für die Benutzung der Fußgängermeile eine Maut zu entrichten habe. Dann muss er auf die Waage. Der Computerverkäufer aus Columbus, Ohio, bringt es auf satte 130 Kilogramm – eine klare Überschreitung des zulässigen Höchstgewichts. Für die Strecke vom Marienplatz zum Stachus sind zwei Euro fällig. Murrend greift John Kernaw in seine Gesäßtasche und bezahlt.

Szenen wie diese werden hierzulande in Zukunft immer häufiger zu beobachten sein, denn Deutschlands Städte sind pleite. Kommunale Kassenwarte sind auf der verzweifelten Suche nach immer neuen Geldquellen. Was liegt da näher, als durch eine streckenbezogene Fetten-Maut die Reparatur der immensen Straßenschäden in besonders viel begangenen Innenstadtbereichen zu finanzieren? Wenn man bedenkt, dass die Belastung der Gehwege durch einen Übergewichtigen mit 120-Kilogramm-Achslast etwa 60-mal höher ist als durch einen Normalgewichtigen, so erscheint eine verursachergerechte Anlastung der Wegekosten als eine zwar drastische, aber gerechte Lösung.

Vor allem die zunehmende Zahl von Giganten der Gehwege stellt zum Beispiel die Planer des Münchner Stadtbauamts vor fast unlösbare Probleme: Durch zerbrochene Granitplatten und gewichtsbedingte Absenkungen im Fußgängerzonenbereich wurde Münchens „gute Stube“ immer mehr zum verwahrlosten Schandfleck, der den tausenden von Besuchern nicht länger zugemutet werden kann. Ganze Busladungen fettleibiger Tagestouristen erfordern ständige Ausbesserungsarbeiten, die aus Deutschlands einstiger Vorzeige-Fußgängerzone einen Fleckerlteppich machten, der dem properen Saubermann-Image der bayerischen Metropole Hohn spricht. Die Fetten-Maut bringt den Kommunen also zusätzliche Einnahmen, die für den Erhalt und den weiteren Ausbau der Bürgersteige dringend erforderlich sind.

Doch nicht nur Fußgängerzonen, auch besonders viel begangene Touristenmeilen wie die Orlandostraße zum Münchner Hofbräuhaus, Hamburgs Reeperbahn, die Düsseldorfer Altstadt oder die Rüdesheimer Drosselgasse werden bald mautpflichtig. Die Stadtväter planen sogar, bei Großdemonstrationen oder Massenveranstaltungen wie der Berliner Love Parade abzukassieren, um so das Stadtsäckel zu entlasten. So konnte etwa nach dem einwöchigen Besuch einer Delegation japanischer Sumo-Ringer in München eine neuer Maut-Rekord aufgestellt und das Haushaltsloch zumindest etwas gestopft werden.

Einziges Problem ist aber die nach wie vor personalintensive Bemautung durch speziell geschulte Maut-Hostessen. Zwar kann durch eine geschickte Wahl der Mautstellen wie etwa vor Burger-Bratereien oder besonders beliebten Bierschwemmen ein überproportional hoher Anteil der übergewichtigen Bevölkerung erfasst werden, aber die Fehlerquote liegt immer noch bei etwa 25 Prozent. Erst wenn alle Bürger mit winzigen Funkchips unter der Haut markiert sind, kann eine satellitengesteuerte Ortung und weitgehend automatische Erhebung der Fetten-Maut durch in den Boden eingelassene Lastenwaagen erfolgen. Erst dann kann Deutschland in diesem Technologiebereich die angestrebte weltweite Vorreiterrolle einnehmen.

Bei aller Begeisterung über den zu erwartenden Innovationsschub auch auf anderen Feldern der Mauttechnologie sollte nicht übersehen werden, dass das System durchaus auch persönliche Härten zur Folge haben kann: Pech hatte nämlich die zierliche und nur 60 Kilogramm schwere Anita G. aus Fürstenfeldbruck. Auf dem Rückweg von ihrem Einkaufsbummel im Sommerschlussverkauf war sie mitten in der Fußgängerzone schwer bepackt in eine Mautkontrolle geraten und musste, da sie durch das Gewicht ihrer Einkäufe die zulässige Achslast überschritten hatte und ohne gültiges Pickerl unterwegs war, 15 Euro Strafmaut nachentrichten.

RÜDIGER KIND