Der Sonnenkönig will wieder scheinen

Hamburgs Exbürgermeister Henning Voscherau (SPD) würde gern zu einer erneuten Kandidatur als Stadtchef gebeten

Die SPD in Hamburg hat ein Problem. Sie will sich die Macht im Rathaus, die sie vor zwei Jahren an die Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei verloren hat, bei der kommenden Bürgerschaftswahl 2005 zurückholen – aber ihr fehlt das Führungspersonal dazu.

Weil sich ihr Landesvorsitzender Olaf Scholz als Generalsekretär der Bundespartei zwischen Agenda 2010 und Steuerpolitik aufgerieben hat, weil außerdem das Personal vor Ort zu wenig Strahlkraft aufweist, kommt dieser Tage wieder ein Mann ins Spiel, den viele längst als erledigten Fall abgetan hatten. Exbürgermeister Henning Voscherau gilt plötzlich wieder als salonfähig, und es gibt niemanden, der sich darüber mehr freut als er selbst.

Der 61-Jährige, der nach Wahlverlusten seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl 1997 beleidigt die Brocken hingeworfen hatte, leidet seitdem wie ein Hund darunter, dass das Scheinwerferlicht ihn nicht mehr so häufig beleuchtet wie zu seiner Zeit als Stadtoberhaupt. Neun Jahre lang, von 1988 bis 1997, hatte er die Hamburger Politik weitgehend als One-Man-Show betrachtet und den Senat wie ein Sonnenkönig geführt.

Nach seinem publicity-trächtigen Rücktritt am Wahlabend während der Live-Übertragung der Tagesschau hatte Voscherau zum wiederholten Male auf ein Comeback gehofft. Mehrfach liebäugelte er mit dem Wechsel in die Bundespolitik nach Berlin. Aber so recht wollte es nie etwas damit werden. Für den Job des Bundesverteidigungsministers war er nach dem Abschuss von Rudolf Scharping gehandelt worden, das wurde dann Peter Struck.

So musste ihm ausgerechnet der neue Rechtssenat zu einer Aufgabe verhelfen und ernannte Voscherau zum Beauftragten der Hansestadt für die Olympia-Bewerbung 2012. Was nicht zuletzt deswegen schief ging, weil Voscherau ausgerechnet in der Woche vor der Entscheidung über den deutschen Bewerber die Konkurrenz aus Düsseldorf und Leipzig in ruppigen Worten attackierte – das kam beim Nationalen Olympischen Komitee gar nicht gut an. Eine typische Voscherau-Geschichte.

Mit seiner Arroganz und Überheblichkeit hat er viele im Lauf seiner Karriere vor den Kopf gestoßen. Voscherau ist von sich selbst überzeugt bis zur Schmerzgrenze, und das lässt er auch in der Öffentlichkeit allzu gern durchblicken. In der SPD schlagen daher viele die Hände über dem Kopf zusammen bei dem Gedanken, dass er die Sozialdemokraten im Wahlkampf führen sollte – nachdem erst Voscheraus Abgang dazu führte, dass die Hamburger SPD die alten internen Flügelkämpfe und Machtspielchen beenden konnte, die ihr Ex so geliebt hatte.

Seit der geplatzten Olympia-Bewerbung ist Voscherau wieder Politiker ohne Geschäftsbereich und Aufgabe. Und da ist es kein Wunder, dass er gestern erstmals mitteilen ließ, er werde zumindest über eine Kandidatur nachdenken. Dass die SPD ihm tatsächlich den Gefallen tun würde, ihm die Spitzenkandidatur anzutragen, kann sich in der Hansestadt im Moment noch niemand so recht vorstellen. Womöglich holt sich die Partei lieber jemanden von außerhalb, als es den alten Bürgermeister noch einmal machen zu lassen.

Aber eins steht fest: Wenn die SPD nur ganz leise riefe – Henning Voscherau wäre sofort zur Stelle. PETER AHRENS