Kölns Kulturamt wälzt Einsparungen auf freie Szene ab

Ein neues Konzept soll „Stärken stärken“. Kölns freie Künstler befürchten eine Schwächung ihrer Position, sie sehen ihren Einfluss schwinden. Vor allem stören sie sich daran, dass wichtiger als Kulturförderung offenbar der Erhalt von städtischen Jobs ist, die eigentlich eingespart werden sollen

Köln taz ■ Das Kulturloch am Neumarkt, dahindämmernde Museen, eine Oper, die aus Arbeitsschutzgründen eher geschlossen gehört, fehlende Ateliers und Proberäume für Künstler, kein Geld im Kulturetat. Sollte der Kasseler Staatstheater-Intendant Christoph Nix (49) am 20. Juli zum neuen Kulturdezernenten gewählt werden, wie es Kölns schwarz-grüne Ratsmehrheit will, wartet ein Berg Arbeit auf ihn.

Was in der öffentlichen Diskussion bislang allerdings kaum wahrgenommen wurde, ist die Diskussion um Ausstattung und Ausgestaltung des Kulturdezernats selber und des dazu gehörenden Kulturamts als „ausführender“ Abteilung, die im Wesentlichen für die freie Szene zuständig ist. Hier sorgt seit Wochen ein bislang nicht veröffentlichtes Konzept aus dem Kulturamt für Unruhe. Es soll in der heutigen Sitzung des Kulturausschusses diskutiert werden.

Ein Thema des Papiers „Stärken stärken“, das nach Wunsch seiner Verfasser bis März 2005 verwirklicht werden soll, ist die Umsetzung der Sparbeschlüsse, die der Rat für das Dezernat beschloss. Aber: Die vorgegebene Einsparung von 558.000 Euro beim Personal kann „nicht erbracht“ werden, beschreibt das Konzept den aktuellen Stand. Für Empörung in der freien Kulturszene sorgt die Folgerung daraus: Da finanzwirtschaftlich keine Ersatzmaßnahme genannt werden könne, sei die Konsequenz, „die Gelder für die Förderung der freien Szene“ in „entsprechender Höhe“ zu streichen. Reiner Michalke vom „Kulturnetz“, einem Zusammenschluss der freien Szene, vermutet deshalb hinter dem Papier vor allem eine Stellensicherungsmaßnahme von Kulturamtsbeschäftigten in eigener Sache.

Nach den Sparbeschlüssen des Rats sollte das Kulturamt schon lange aufgelöst sein. Da die Angestellten aber nicht entlassen werden können, es für sie auch keine anderen Arbeitsplätze in der Gesamtverwaltung gibt, arbeiten sie in ihren bisherigen Positionen weiter. Nach öffentlichen Protesten blieb lediglich die Stelle des Rockbeauftragten offiziell bestehen. Der Referent für Kunst und Literatur geht demnächst in Pension, die Stelle wird anschließend nicht neu besetzt. Eingespart werden sollten die Stellen für Interkulturelle Kulturarbeit und Stadtteilkultur.

Keine Impulse mehr

Dabei kommt das Kulturamt schon jetzt, wie das Konzept feststellt, mit der Arbeit nicht nach. Die Folgen seien unter anderem: Die Stadt kann keine Impulse mehr durch Eigenveranstaltungen geben. Es gibt keine Förderung für die freie Szene mehr, dort kommt es zu Streitigkeiten, es wächst die Tendenz, das Kulturamt zu „einem Selbstbedienungsladen der freien Szene“ zu machen, so die merkwürdige und widersprüchliche Unterstellung der Konzeptverfasser.

Was beim Sparen im Kulturamt nicht gelang, setzten die städtischen Kulturinstitutionen zum Teil schon um. Bei den Museen wurden die Bauunterhaltungsmittel um bis zu 80 Prozent gekürzt, Personal wurde abgebaut, der Besucherservice eingeschränkt. Selbstkritisch mahnt das Konzept: „Heruntergekommene Museen schaden dem Ruf der Stadt!“. Es folgt die Empfehlung, die Museen auch ohne Budgetaufstockung zu erhalten. Wie dies allerdings geschehen soll, wird nicht verraten. Weiter werden die schon erfolgten Sparmaßnahmen aufgelistet. So sind bis 2007 von den städtischen Bühnen 11,6 Millionen Euro zu erbringen, beim Gürzenichorchester sind es 727.000, bei der Stadtbibliothek rund eine Million, das NS-Dokumentationszentrum muss beim Personal und den Sachkosten kürzen, das Historische Archiv hat bald gar kein Personal mehr.

Als „Gegenmaßnahme“ empfiehlt das Konzept eine Umstrukturierung des Amtes. Dazu sollen sich alle Institutionen und die freie Szene von Kunstsparten wie Tanz, bildende Kunst, Musik oder Literatur/Medien zu insgesamt acht Kooperationen zusammenschließen. Diese sollen für ihren jeweiligen Bereich Schwerpunkte für eine Förderung und die dafür erforderlichen Qualitätsmaßstäbe festlegen. Außerdem sollen sie das gesamte Angebot ihrer jeweiligen Sparte etwa hinsichtlich der Attraktivität überprüfen und Sponsoren finden. Dabei sollen sie sich an den Zielen der (gescheiterten) Bewerbung zur Kulturhauptstadt orientieren.

„So wird das nix“

Betreut werden sollen die Kooperationen von den derzeit im Kulturamt tätigen Angestellten, die natürlich mit entsprechenden Räumen versorgt werden müssten. Die freie Szene indes fragt: Wozu brauchen wir ein Kulturamt, wenn die freie Szene zugunsten des Personalerhalts „gestrichen“ werden soll? Die Kooperationen würden ihre Arbeitsergebnisse in eine „Kölner Kulturkonferenz“ einbringen, die vom Kulturdezernenten einberufen wird und in der auch Vertreter des Rates und externe Fachleute vertreten sind. Hier würde dann auch überlegt, welche Rechtsform die städtischen Bühnen und Museen künftig hätten und wie das Kulturdezernat organisiert sei. Vor allem treffe diese Kulturkonferenz die letzte Entscheidung darüber, was künftig gefördert wird. Und da sind die Künstlervertreter nicht in der Mehrheit. „Wir sollen unsere Ideen einbringen, aber entscheiden wollen am Ende wieder nur Verwaltung und Politik“, empört sich Gerhard Haag, Theaterchef und Sprecher der „Theater-Plattform“, die von einigen freien Theatern gegründet wurde.

Der grüne Ratsherr Peter Sörries, ebenfalls Kritiker des Konzepts, will es von der heutigen Tagesordnung streichen lassen. Und er kündigt an: „So wird das nix“ – darüber wolle er auch mit dem Kulturdezernenten in spe, Christoph Nix, sprechen. Ungeachtet der Tatsache, dass OB Schramma das Papier schon gelobt hat. Jürgen Schön