hitzerabatt in hamburg
: Frösteln im Museum

Man ist fast geneigt zu behaupten, dass dies eine unüberlegte Handlung sei: Sich in puncto Sommerbespielung mit einer derartigen Ausschließlichkeit auf verlässliche August- und Julihitze zu verlassen, dass man sämtliche Werbemaßnahmen allein auf diesem Axiom basieren lässt, das noch nicht einmal durch konstante Empirie gesichert ist, sondern seit Urzeiten – jedenfalls im Norden – auf Wunschdenken beruht. Auch dürfte sich spätestens seit dem Zusammenbruch der IT-Branche herumgesprochen haben, dass sich Aufwärts-Trends nicht in die Unendlichkeit fortschreiben lassen; jedem VWL-Erstsemester ist der berühmte Schweinezyklus bekannt. Und auch die Sommergötter sind ja keineswegs verpflichtet, pünktlich im Juli/August gar freundlich zu lächeln, sind vielleicht sogar selbst im Urlaub – und wollen überdies, so lässt sich vermuten, die Menschheit durch das aktuelle Wetter wieder ein bisschen Demut lehren, sie von der unsäglichen Hybris abbringen, die durch die Sommer der vergangenen Jahre Platz gegriffen: dass der Norddeutsche nämlich ein verbrieftes Recht auf Temperaturen ab 40 Grad im Schatten habe. Abgesehen davon zeugt ein solches Postulat von der geradezu sträflichen Engstirnigkeit, bei derlei Klagen allein auf Numerik – der siebte oder achte Monat des Jahres muss es sein – zu setzen: Ist die Menschheit, die Schwarze Löcher und Saturn-Reisen erkundet, intellektuell wirklich so begrenzt? Woher rührt die fatale Abhängigkeit von Jahreszeiten, die uns immer wieder Sonne postulieren lässt, weil es halt – aber auch das stimmt ja nicht – schon immer so gewesen? Nein, sagen wir uns, das soll anders werden, fröhlich wollen wir im Regen singen, uns an kühlen Sommern erfreuen, wie sie einst Bobrowski beschrieb – und dann soll es ja auch Zeitgenossen geben, die dies der brütenden Hitze vorziehen. Doch die möchten unerkannt bleiben und sich allenfalls eine klitzekleine Schadenfreude gönnen angesichts in Freibädern aufgenommener „Ich brauch was Frisches“-Radiowerbung oder vehement propagierter Auto-Klimaanlagen; vielleicht sollte man lieber beheizbare Beifahrersitze ins Sortiment aufnehmen.

Und nun stimmt also auch die Kulturszene in den Chor der Sommer-Werber ein: „Die Temperatur steigt, der Preis fällt“, schreibt das Hamburger „Schmidts Tivoli“, „ohne Schweiß kein Preis(nachlass): Ab 25 Grad soll der Besucher 25 Prozent weniger zahlen, ab 30 Grad 30 Prozent, ab 50 ... aber nein, so weit denken wir nicht; immerhin werden bei 15 Grad noch 15 Prozent gewährt – eine Marge, die man schaffen könnte in diesen Tagen. Bedauernswürdig auch die Museen, die sich nach der letztjährigen besucherseitigen totalen Sommer-Finsternis etwas für ihre Verhältnisse Revolutionäres einfallen ließen: einen Hitze-Rabatt ab 25 Grad bietet zum Beispiel das Museum für Hamburgische Geschichte – eine geniale Idee eigentlich, war man doch im vorigen Sommer in den klimatisierten Räumen etwa der Kunsthalle konstant der einzige Besucher, weil niemand ahnte, welch köstliche Kühle da drinnen wartete. Aber auch diese Maßnahme wird wohl das Schicksal aller museumseitigen Aktivitäten erleiden: irgendwie immer fatal zu spät zu sein, so wie auch eine noch so aktuell gemeinte Ausstellung immer ein bisschen fad hinterherhinken wird. Andererseits könnte man im Museum vielleicht spontan eine Art Schietwetter-Frühstück zum halben Preis anbieten oder einen Orden für die schönste selbst gemachte Strickweste. Oder wie wäre es mit einer kleinen Führung durch den Heizungskeller? Petra Schellen