Die Bürger, nicht ganz unbeteiligt

Eine neue Initiative von Arbeitnehmerkammer und Bremer Bürgerstiftung will Bürgerbeteiligung propagieren. Auch in die Planung des Faulenquartiers wollen sich die Initiatoren einmischen

„Au fein“, wird sich der Senat gedacht haben, „das hat uns gerade noch gefehlt“

Bremen taz ■ Eine „Demokratiebilanz“ will die neu gegründete „Bremer Initiative Aktive Bürgerstadt“ (Biab) jährlich ziehen. „Au fein“, wird sich der Senat gedacht haben, „das hat uns gerade noch gefehlt“. Schließlich findet auch die Regierung Bürgerbeteiligung so richtig gut. Von „aktiver Bürgerstadt“ und „lebendiger Demokratie“ ist auf sieben Seiten dicht bedruckten Papiers für die Bürgerschaft die Rede und davon, dass es „zunehmend selbstverständlich wird, Betroffenengruppen zu informieren und einzubeziehen“.

Betonung auf „zunehmend“, denn manchmal wird auch jemand vergessen, das Herzstück der Demokratie zum Beispiel, die Volksvertretung. Nicht immer wurde die in den vergangenen Jahren vollständig darüber informiert, was mit Einnahmen passiert ist. Jüngstes Beispiel: Der Verbleib von 20 Millionen aus dem Verkauf der Anteile an den ehemaligen Stadtwerken Bremen (SWB) an den Energieversorger Eon.

Aber jetzt, jetzt gibt es die Biab, ein gemeinsames Projekt von Peter Beier von der Arbeitnehmerkammer und Hans-Christoph Hoppensack, ehemaliger Staatsrat für Soziales, jetzt Bremer Bürgerstiftung. „Demokratie darf keine Veranstaltung von oben sein“, sagt der Ex-Behördenmensch Hoppensack und „wir verstehen uns nicht als Alternative zur Parteipolitik, sondern als Belebung“. Um das zu erreichen, wollen Beier und Hoppensack zunächst einmal die Bürger mit Diskussionsveranstaltungen informieren und anregen, sich zu beteiligen. Denn nicht alle wissen, wie das geht oder sind bockig und politikverdrossen, weil „die da oben“ ja doch machen, was sie wollen und einen Space Park bauen, obwohl den niemand haben will. „Wir werden mit Sicherheit keine Massenbewegung“, räumt Beier ein. „Die Menschen brauchen die Erfahrung, dass ihre Wünsche auch umgesetzt werden und dass sie nicht nur billige Ideenlieferanten sind, sondern auch entscheiden können, wofür Geld ausgegeben wird.“

Wenn nur die Beiräte mehr zu melden hätten – hofft Mitstreiter Hoppensack – dann würde auch mal jemand daran glauben, dass Demokratie alle was angeht. Aber auch die Novellierung des Beirätegesetzes hätte den Ortsteilpolitikern spürbar mehr Einfluss gegeben. „Das wird hier mit spitzen Fingern angefasst“, sagt Hoppensack. Eine Ausnahme macht er für den Bau- und Verkehrssenator Jens Eckhoff (CDU). „Der ist tatsächlich zu loben.“ Schließlich hat der mittlerweile den Schuss gehört und beteiligt Bürger an der Stadtentwicklung, wo es ihm passt. Aktuelle Beispiele: Der Umbau des Stadionbades und die Neugestaltung der Pauliner Marsch.

Keine guten Noten bekommt hingegen Bildungs- und Wissenschaftssenator Willi Lemke. Der will 2,3 Millionen Euro für ein „Haus der Wissenschaft“ im leer stehenden „Haus Vorwärts“ ausgeben, um dort „die Menschen“ an „die Wissenschaft“ heranzuführen. Noch nicht einmal mit den Volksvertretern wollte er über das Projekt diskutieren, geschweige denn das Volk mal fragen, was das Volk an der Wissenschaft interessiert. „Ein Beteiligungsverfahren hätte man sich leisten können, das wurde versäumt“, kritisiert Hoppensack. Anders sieht es Beier. Dass es die Entscheidung für das Haus der Wissenschaft gegeben hat, ginge schon Ordnung. „Aber jetzt muss man fragen, wie das genau umgesetzt werden soll.“

Das Gleiche gelte für alles, was den Weg zur Kulturhauptstadt angeht, da sind sich Beier und Hoppensack einig. Ein weiteres Anliegen: das Faulenquartier, das sich nach Willen des Senats in ein pulsierenden Medienviertel verwandeln soll. Es könne nicht schaden, sagt Beier, mal im Vorfeld zu klären, wer dort wohnen möchte, wo es nach Senatserwartungen nachts auch mal etwas lauter wird. E. Bruhn