Karikaturen karikieren

Auf die Trümmer des amerikanischen Traums bauen: Mit der Ausstellung SUV im Neuen Berliner Kunstverein drehen Andreas Schimanski, Maik Wolf und Katrin Lock an einer Schraube, deren Richtung sie aber nicht ändern können

Zwei Leinwände sind einander gegenüber in Stellung gebracht, ungefähr in der Höhe von Basketballkörben. Auf beiden schimpft eine Frau, brüllt in ihr eigenes Gesicht auf der anderen Seite. „It’s totally fucking shit!“ Blacks unterbrechen die Bilder, sonst nichts. Nach vier Minuten beginnt der Wettkampf aus Wut und Redundanz von vorn, als wären alle anderen Gefühle gelöscht. „Critic“ hat Andreas Schimanski diese Arbeit genannt, die Ute Tischler für die Ausstellung „Ortsbegehung“ ausgewählt hat.

Seit zehn Jahren ist die Ortsbegehung ein Ausstellungsformat des Neuen Berliner Kunstvereins, um jüngere Künstler aus Berlin zu fördern. Ein Kurator sucht drei Künstler aus, in deren inhaltlichen Konzepten und ästhetischen Ansätzen er etwas aufzuspüren sucht, was im Ausstellungsbetrieb so noch nicht zum Thema wurde. Für die Ortsbegehung 10 hat Ute Tischler Andreas Schimanski, Maik Wolf und Katrin Lock zusammengebracht, die an den Trümmern des amerikanischen Traums andocken. Der Titel der Ausstellung SUV ist programmatisch gemeint. SUV ist die Abkürzung für hochgerüstete Geländewagen (Sport Utility Vehicle). SUV als Symbol einer aggressiv verteidigten Sicherheitspolitik und eines Land und Ressourcen verschlingenden Freiheitsbegriffs zu setzen, entspricht dabei nicht nur einer Kritik an den USA sondern an jeder Form von Wagenburgmentalität.

Doch es fällt den Künstlern schwer, den wunden Punkten, die sie markieren wollen, nicht nur wie ein ohnmächtiges Echo gegenüberzustehen. Die Strategien der Übertreibung bis hin zum ironischen Umschlag greifen dort nicht mehr, wo das Material selbst schon als seine eigene Karikatur auftritt.

In einem 6 Minuten langen Hörspiel für Kopfhörer setzt Katrin Lock Dialog und Musikschnipsel aus Kinofilmen aneinander, die alle um den Fetisch Auto und die Jagd nach dem Öl kreisen. Es geht um Tod durch Unfall, hypertrophe Verkehrssysteme, Ölbesitz als Legitimation des Krieges. In jedem akustischen Schnipsel scheint schon der Wahnsinn des Traums von der unbegrenzten Mobilität als Form der Freiheit auf und die Hybris eines Systems, das die eigene Vernichtung in sich trägt. Gerade das aber macht auch schon die Attraktivität des Trash aus, von James-Bond- und Katastrophenfilmen, die sie als Vorlage benutzt.

Etwas mehr Abstand findet Katrin Lock in ihren Kinoplakaten, die amerikanische Mythen aufgreifen und in ihren Stilanleihen sehr authentisch wirken. Zugleich aber deuten sie irritierende Verschiebungen an, die nicht ins Klischee des amerikanischen Kinos passen. Angekündigt wird etwa „The cuban funeral“, ganz sicher ein Politthriller über amerikanische Intrigen in Cuba, oder „Homeland Security“ mit Bildern von indianischen Kriegern, für die der Begriff „Homeland“ besonders zwiespältig sein muss.

Maik Wolf zeigt zwei Prints und ein Ölbild seiner Serie „Simulacra“, die beide auf dem Prinzip Collage beruhen, einer steten Umformung von Motiven aus dem Bilderstrom der Massenmedien. Er führt vor, wie er es in der Hand hat, aus dem Bild einer Wurzel vor unseren Augen entweder einen Wald sprießen zu lassen, gemalt in einer Manier zwischen impressionistischer Verwischung und der Detailschärfe von Airbrush-Motiven, oder das Bild einer toten Landschaft zu generieren. Beides bleibt unheimlich in seiner Künstlichkeit, beides sind Ersatzwelten, die immer neue Chimären hervorbringen. Hinter der Manipulation der Wahrnehmung und ihren großen Oberflächen aber kommt nichts mehr. So drehen die Werke letztendlich nur an einer Schraube, deren Richtung sie aber nicht ändern können. KATRIN BETTINA MÜLLER

Ortsbegehung 10, SUV, im Neuen Berliner Kunstverein, Chausseestr. 128, 10115 Berlin, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa und So 14–18 Uhr. Bis 22. August