TV aus dem Weltall

Seit 20 Jahren wird in Deutschland „anders“ ferngesehen: Heute feiert der öffentlich-rechtliche Kulturkanal 3Sat seinen Geburtstag – ganz privat

VON MARTIN REICHERT

Angefangen hatte alles mit Arabella Kiesbauer. Jawohl, ausgerechnet die Lärmmaschine aus dem Nachmittags-Talk gehörte zu den ersten Moderatorinnen im Mainzer 3Sat-Studio. „Inter-City“ hieß die von ihr präsentierte Städteserie in dem damals von ZDF, ORF und SRG frisch gegründeten „ersten gemeinsamen deutschsprachigen Satellitenprogramm“.

Das ist jetzt 20 Jahre her, der Kulturkanal 3Sat (Slogan: „anders fernsehen“) feiert heute Geburtstag und Arabella Kiesbauer geht es wie uns allen: Sie ist aus einer lang währenden Besinnungslosigkeit erwacht. Ihr Daily-Talk, lange Zeit ein Symbol für den Trash der Privaten, wurde eingestellt und sie selbst kritisiert nun das Rezept, mit dem auch ihre Sendung zusammengerührt worden war: „Man macht Scheiße und hofft, dass eine Million Fliegen nicht irren.“ Sie arbeitet nun wieder für den ORF, der wiederum Zulieferer für 3Sat ist, eine Rückkehr zur Vernunft. Frau Kiesbauer wurde in der Zwischenzeit reich, wir nur des Trivialen überdrüssig.

Das Orwell-Jahr 1984 war der Zeitpunkt einer medialen Revolution in Deutschland. In Ludwigshafen, Heimstatt des Begründers der „geistig-moralischen Wende“, als deren Vehikel und eigentliche Hinterlassenschaft sich das Privatfernsehen erwies, machte sich die Versuchsanstalt PKS ans Werk, die sich später Sat.1 nennen sollte. Die Zeiten des Duopolfernsehens waren endgültig vorbei: Über unterirdische, dunkle Kanäle flossen von nun an zweifelhafte Inhalte in die Endverbrauchergeräte, deren Besitzer Gefahr liefen, sich „zu Tode zu amüsieren“ (Neil Postman).

Die Öffentlich-Rechtlichen hingegen verfuhren nach dem Motto des heutigen ZDF-Intendanten Markus Schächter: „Nur wer Kultur hat, kann sie auch ausstrahlen.“ Sie schossen einen Satelliten in die Erdumlaufbahn, der fortan den Sternen gleich ideale Inhalte sendete, nach denen wir uns eigentlich richten sollten. Gleichzeitig begann jener Prozess des Outsourcings, in dessen Folge der öffentlich-rechtliche Kulturauftrag zunehmend an die Spartenkanäle Arte und 3Sat delegiert wurde, während ARD und ZDF sich schleichend den Privaten annäherten, um Quote zu machen.

Wir Zuschauer haben mittlerweile gelernt, dass es für jedes Tierchen und seine Plaisierchen einen eigenen Sender gibt, Musik gibts bei Viva, Sport bei DSF, Kultur unter anderem bei 3Sat. Dem Sender ist es tatsächlich gelungen, ein „Vollprogramm mit kulturellem Schwerpunkt“ zu etablieren, und darüber hinaus ein „Dreiländerfeuilleton“ anzubieten, dessen Kompetenz insbesondere durch „Kulturzeit“ repräsentiert wird. Das erste werktägliche deutschsprachige Kulturmagazin schöpft aus dem Korrespondentennetz der öffentlich-rechtlichen Sender Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und illustriert, dass es noch immer eine gemeinsame kulturelle Identität des deutschen Sprachraums gibt, die auf Europa verweist. 3Sat ist somit auch Teil jener europäischen Öffentlichkeit, deren Nichtexistenz allenthalben beklagt wird: Im „Literaturclub“ debattieren internationale Kritiker über europäische Literatur, die Nachrichtensendungen aus den Nachbarländern ermöglichen einen Perspektivwechsel.

Die Kultur des Anspruchsvollen hat sich bewährt, mit stabilen und zuletzt sogar steigenden Marktanteilen: Nicht zuletzt die pfiffigen Eigenproduktionen „Nano“, „Delta“ und „Kulturzeit“, haben dem Sender ein eigenes, sympathisches Gesicht (Gert Scobel!) verliehen. Und vielleicht moderiert Arabella Kiesbauer ja die nächste Live-Übertragung des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs.