Charles Taylor setzt sich in Szene

Liberias Präsident sagt eine „Abschiedsrede“ ab und nährt Spekulationen um seinen für Montag angekündigten Rücktritt. Knackpunkt: Rücknahme des UN-Haftbefehls gegen ihn. Berichte über geplanten Söldnereinsatz zu Taylors Festnahme

von DOMINIC JOHNSON

Geht er oder geht er nicht? Kurz vor seinem angekündigten Rücktritt am kommenden Montag sorgt Liberias Präsident Charles Taylor für tägliches Aufsehen. Gestern sagte er überraschend eine „Abschiedsrede“ vor dem liberianischen Parlament ab, die ebenso überraschend am Mittwoch angekündigt worden war. Die Parlamentarier im mit Einschusslöchern übersäten Kongressgebäude im Zentrum der Hauptstadt Monrovia warteten am Nachmittag nach eigenen Angaben auf eine schriftliche Mitteilung des Staatschefs. Am spannendsten für sie war, ob Taylor sein Amt an seinen Stellvertreter Moses Blah übergeben wolle oder an Parlamentspräsident Nyundueh Monkomana.

Erst am Mittwoch hatte Mohammed Ibn Chambas, Generalsekretär der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), die den nigerianisch geführten Truppeneinsatz in Liberia leitet, Taylors „Abschiedsrede“ angekündigt. Zuvor hatte Nigerias Regierung erklärt, sie sei im Begriff, die Vorbereitungen zur Aufnahme Taylors nach seinem Rücktritt „abzuschließen“.

Ein Grund für die Unsicherheit ist, dass Taylor zwar seinen Rücktritt verbindlich versprochen hat, nicht aber seinen Gang ins Exil. Nigerianischen Berichten zufolge ist Charles Taylor unzufrieden darüber, dass Nigerias Behörden ihn nicht in die Hauptstadt Abuja oder die Metropole Lagos bringen wollen, sondern in das entlegene Calabar im ostnigerianischen Sumpf an der Grenze zu Kamerun. Außerdem verlangt der Präsident mehr als nur verbale Garantien für eine Nichtvollstreckung des Haftbefehls, den das UN-Kriegsverbrechertribunal in Sierra Leone gegen ihn ausgestellt hat. Liberias Regierung hat vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Anfechtung des Haftbefehls eingereicht. Die Anfechtung ist nach UN-Angaben an das UN-Tribunal weitergeleitet worden.

Es ist unwahrscheinlich, dass das Tribunal einlenkt. Die britische Financial Times berichtete gestern, das Tribunal habe einem Vorschlag der liberianischen Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) zugestimmt, wonach die US-britische Söldnerfirma „Northridge Services“ den Haftbefehl gegen Taylor vollstrecken solle. Es habe aber nicht selbst dafür zahlen wollen und vorgeschlagen, dass die US-Regierung die nötigen Mittel bereitstellt. „Lurd würde es begrüßen, wenn Northridge Services nicht nur in Liberia, sondern in der gesamten Region die Lage stabilisieren hilft“, zitierte das Blatt einen Lurd-Sprecher in den USA. Ende Juli, als die Debatte um ein US-Eingreifen in Liberia ihren Höhepunkt erreichte, hatte US-Außenminister Colin Powell vorgeschlagen, dass private US-„Vertragsfirmen“ in Liberia tätig werden.

Söldnereinsätze sind in Westafrikas Kriegen nichts Neues, und auch „Northridge Services“ ist in der Region bekannt. Im April hatte der britische Außenminister Jack Straw die Firma davor gewarnt, in der Elfenbeinküste aktiv zu werden – darum hatte die dortige Regierung unter Präsident Laurent Gbagbo gebeten, die gegen Rebellen kämpft und zugleich mit Liberias Rebellen verbündet ist. Am vergangenen Freitag verurteilte ein Gericht in Südafrika den ehemaligen französischen Armeeleutnant Richard Rouget zu wahlweise fünf Jahren Haft oder umgerechnet 12.000 Euro Geldstrafe für die Anwerbung südafrikanischer Söldner für die Elfenbeinküste. Rouget, Leiter eines Reiseunternehmens für Hobbyjäger im südlichen Afrika, soll selbst Kampfhubschrauber geflogen haben, die Ende 2002 in der Elfenbeinküste im Tiefflug Rebellendörfer beschossen.