heute in bremen
: Ein Dilemma ohne Ausweg

Be- und Entlastung pflegender Angehöriger werden diskutiert

taz: Kann man dem Dilemma entgehen, moralisch verpflichtet zu sein, Angehörige zu pflegen – obwohl man sich überlastet fühlt, Herr Görres?

Stefan Görres, Professor für Pflegewissenschaften: Es lässt sich nicht wirklich auflösen. Es gab Vorschläge, eine bezahlte Pflegezeit einzuführen. Das wäre ein wichtiger Schritt gewesen. Diese Reform ist aber im Interesse der Arbeitgeber gescheitert. Jetzt gibt es zehn unbezahlte Pflegetage, das ist viel zu wenig. Letztlich ist es ein „Menschheitsschicksal“, dass es keinen Weg gibt, der uns ganz von diesem Dilemma befreit. Die Sorge um andere Menschen nimmt uns niemand ab.

Wie viele Pflegebedürftige werden denn von ihren Angehörigen versorgt?

Rund 1,5 Millionen Menschen werden zu Hause versorgt, ein Million davon ausschließlich von Angehörigen. Im Moment geht der Trend eher dahin, dass die Pflege durch Professionelle zumindest nicht steigt.

Wollen oder können sich die Familien die professionelle Pflege nicht leisten?

Da kann man nur spekulieren.

Inzwischen sind ja Hilfen von billigen Arbeitskräften aus Osteuropa gängig.

Da können wir froh sein, dass das so läuft – weil vieles sonst zusammenbräche. Oder die Pflege würde viel teurer werden. Mehr Menschen, gerade Frauen, müssten ihren Beruf aufgeben, mehr Pflegebedürftige würden im Heim landen.

Sind andere Staaten weiter?

Man kann das schwer vergleichen. Tendenziell gelingt es den Niederländern und Skandinaviern eher, klügere Konzepte anzubieten. Das liegt in der Tradition, der Versorgungsstruktur, aber auch der gesellschaftlichen Einstellung begründet. INT.: JAN ZIER

Vortrag: 18 Uhr, Haus der Wissenschaft