Schily hält Kurs

Innenminister Otto Schily (SPD) verweist auf die „Drittstaatenregelung“ und lehnt die Asylanträge ab. Grüne fordern europäische Lastenverteilung

BERLIN taz ■ Es gibt Tage, an denen die Grünen so klingen, als wären sie immer noch in der Opposition. Gestern zum Beispiel protestierten mehrere Grüne vehement gegen die Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung. So wie vor über zehn Jahren, als der „Asylkompromiss“ zwischen Union und SPD besiegelt wurde.

Seitdem gilt das Prinzip, dass Flüchtlinge keinen Antrag auf Asyl in Deutschland mehr stellen können, wenn sie vorher in einem „sicheren Drittstaat“ angekommen sind. Italien ist so ein Staat – weshalb Innenminister Otto Schily (SPD) gestern mitteilen ließ, es gebe „nicht den geringsten Grund“, die Bootsflüchtlinge aus dem Sudan, die von der „Cap Anamur“ vor der Küste Italiens im Mittelmeer aufgelesen wurden, in Deutschland aufzunehmen.

Während die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer, Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele und die grüne Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Claudia Roth, gefordert hatten, Deutschland solle den 37 Afrikanern Asyl gewähren, beruft sich das Innenministerium auf die geltenden Paragrafen. Ein Antrag auf Asyl könne nur in Deutschland gestellt werden, so Schilys Sprecher. Dass die „Cap Anamur“ ein deutsches Schiff sei, spiele keine Rolle: „Ein deutsches Schiff ist kein deutsches Hoheitsgebiet.“ Das Territorialprinzip gelte für deutsches Festland, nicht für „irgendein deutsches Schiff, das irgendwo in der Welt fährt“. Also sei es „rechtlich ohne jede Wirkung“, dass die Flüchtlinge am Sonntag Deutschland um Asyl gebeten hatten.

Nachdem die italienische Regierung die Flüchtlinge gestern schließlich an Land gehen ließ, fühlt sich Schily endgültig aus dem Schneider: „Der Staat, der zuerst erreicht wird, ist für die Annahme von Asylanträgen und die Entscheidung darüber zuständig.“ Also Italien. Punkt. Für das Innenministerium scheint die Sache damit erledigt, da durch die Aufnahme in Italien ja die angestrebte „humanitäre Lösung gefunden“ worden sei. Das vorläufige Ende des Flüchtlingsdramas sehen natürlich auch die Grünen „mit Freude und Erleichterung“, wie Parteichefin Beer erklärte. Die kleine Regierungspartei kritisiert trotzdem das Verhalten der Regierung. „Es wäre höchste Zeit gewesen“, so Roth, „zu sagen: Diese Flüchtlinge übernehmen wir.“

Für die Zukunft fordern die Grünen, dass „Italien nicht allein gelassen“ wird. Beer sagte der taz, sie könne sich eine „europäische Lastenverteilung“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen vorstellen. Roth fordert mehr Unterstützung für die aufnehmenden Länder. LUKAS WALLRAFF