Fischer schafft Arbeitssieg bei SPD-Primary

Mit einer Stimme Vorsprung gewinnt NRW-Sozialministerin Birgit Fischer die SPD-Vorwahl im Landtagswahlkreis Bochum-Herne. Bei der knappen Kampfabstimmung unterlag Fischer fast dem jungen Krankenpfleger Serdar Yüksel

RUHR taz ■ Nach dem Sieg legt Sozialministerin Birgit Fischer die Glückwunschblumen rasch beiseite. Die Sozialdemokratin im roten Blazer lächelt zurückhaltend, als Parteifreunde ihr gratulieren. „Das war ein Elfmeter in letzter Minute“, sagt Fischer. Gerade ist sie knapp zur SPD-Landtagskandidatin für den Bezirk Bochum III-Herne II gewählt worden. Mit 30 zu 29 Stimmen gewann die bekannte Landespolitikerin gegen den unbekannten Serdar Yüksel.

Montag Abend. Die SPD-Delegierten haben sich versammelt, um ihre Kandidaten für die Landtagswahl 2005 zu wählen. Sozialdemokraten aus Bochum, Wattenscheid und Herne stärken sich vor der Marathonsitzung. Dicke Männer in Lederwesten essen Mettbrötchen. Blond gefärbte Frauen rauchen im Foyer.

Mit 15-minütiger Verspätung eröffnet der SPD-Unterbezirksvorsitzende Bernd Faulenbach den Parteitag. Faulenbach ist ein älterer Herr mit widerspenstigen grauen Haaren, die er quer über den Kopf gekämmt hat. Der Geschichtsprofessor führt mit sonorer, langsamer Stimme durch den Abend. Einige Genossen schütteln genervt den Kopf, weil Faulenbach es so genau nimmt mit den SPD-Regularien.

Faulenbach ermahnt die Delegierten: „Unsere Landtagskandidaten müssen Politik nicht nur für Bochum, sondern für das ganze Land Nordrhein-Westfalen machen.“ Der SPD-Chef gilt als Unterstützer von Birgit Fischer, die vor der Kampfabstimmung entspannt mit Parteifreunden plauscht. Normalerweise ist Fischer Favoritin im Duell Sozialministerin gegen Hobbypolitiker. In der Tischvorlage erfahren die Genossen die Höhe der Mitgliedsbeiträge beider Kandidaten: Fischer zahlt 795 Euro im Monat an die Partei, Serdar Yüksels SPD-Beitrag beläuft sich auf 8 Euro 65.

Doch Yüksel hat in den vergangenen Monaten geschickt Unterstützung für sich mobilisiert. Der Wattenscheider hat die lokalpatriotischen Stadtteil-Genossen auf seiner Seite. Auch Delegierte aus Herne sind für Yüksel. Auf Fischer dagegen sind sie sauer, weil ihr Ministerium den Neubau einer forensischen Klinik für psychisch kranke Straftäter ausgerechnet in Eickel plant.

Fünf bis zehn Minuten haben die Kandidaten Zeit, sich vorzustellen. Birgit Fischer ist zuerst dran. Nervös hält sich die Ministerin am Rednerpult fest. Sie verhaspelt sich ein paar Mal, spricht von der Gesundheitsregion Bochum-Essen, von sozialdemokratischem Selbstbewusstsein in schwierigen Zeiten.

Gegenkandidat Yüksel appelliert an die Urinstinkte der krisengeschüttelten SPD: „Wir müssen etwas tun gegen die Erpressung durch das Kapital.“ Es dürfe keine faulen Kompromisse mehr geben in der Regierungsarbeit, sagt der Mann im dunklen Anzug. Der 31-jährige Krankenpfleger kritisiert die Gesundheitsministerin nicht direkt, sagt nur: „Wir müssen wieder Politik für die kleinen Leute machen.“

Yüksel und Fischer bekommen gleich viel Beifall. Die Auszählung der Stimmen dauert lang. Als das Resultat verkündet wird, freut sich Yüksel über ein „Bombenergebnis“. Fischer sagt, sie wolle später „noch ein bisschen feiern“. MARTIN TEIGELER