Schritt ins soziale Dunkel

Sparhammer: Niedersachsen schafft als erstes Bundesland das Blindengeld ab. Sehbehinderten bleibt 2005 nur noch der Gang zum Sozialamt

hannover taz ■ Punktschrift-Schreibmaschine für 442,40 Euro, eine sprechende Waage für 189,50 Euro, ein Unterschriftenlineal für 34,90 Euro. Auch die Taxifahrt samt Begleiter werden sich viele der 11.400 Blinden und Sehbehinderten in Niedersachsen kaum noch leisten können, wenn sie ab Januar 2005 beim Sozialamt Beihilfe beantragen. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) kündigte gestern an, das bislang einkommens- und vermögensunabhängig gezahlte Landesblindengeld in Höhe von 409 Euro pro Monat im kommenden Jahr zu streichen. So sollen 21,9 Millionen Euro gespart werden. Damit erbringen die Sehbehinderten den größten Anteil der 134 Millionen Euro, die das Land 2005 aus „rechtlich nicht gebundenen Mitteln“ kürzt. Zugleich legte Möllring eine Liste mit über 100 weiteren Sparposten vor.

Die Landesregierung habe versprochen, Blinde nicht weiter zu belasten, kritisierte SPD-Finanzexperte Dieter Möhrmann. Bereits in diesem Jahr war das Blindengeld um 20 Prozent gekürzt worden. Die Kürzungspläne träfen „in erster Linie sozial Schwache, Kinder und Jugendliche“, sagte der grüne Fraktionschef Stefan Wenzel.

Das Land könne es sich „nicht mehr leisten, unabhängig von der Bedürftigkeit Hilfen zu zahlen“, sagte Möllring. Nach der im Bundessozialhilfegesetz vorgesehenen Blindenhilfe erhalten nur noch Bedürftige, die weniger als 569 Euro im Monat verdienen, eine Unterstützung in Höhe von bis zu 585 Euro. Blinden, die sich weigern, „zumutbare Arbeit“ anzunehmen, kann die Hilfe gestrichen werden. Da zudem Vermögen und Leistungen aus Pflegekassen oder Versicherungen angerechnet werden sollen, befürchtet der niedersächsische Blinden- und Sehbehindertenverband, dass „nur noch fünf bis zehn Prozent der Blinden einen Anspruch auf Hilfe haben“ werden. Die Landesregierung vollziehe „den Schritt ins soziale Dunkel für Blinde und hochgradig Sehbehinderte“.

Von einem „Affront“ sprach der Vorsitzende des Sozialverbandes Niedersachsen, Adolf Bauer. Es sei „ein fatales Signal“, dass Niedersachsen als erstes Bundesland das Blindengeld abschaffe. kai schöneberg