Lyrisch, drastisch, schrill

StudentInnen der Bremer Hochschule für Künste zeigen ab heute in der Shakespeare Company Bohuslav Martinus Kammeroper „Die Heirat“

„Sein Sinn für das Groteske am menschlichen Verhalten, seine messerscharfe Beobachtung der Schwächen, sein Aufspüren der banalen Lächerlichkeit, die sich oft hinter der Behauptung von Würde und Ansehen versteckt.“ So charakterisiert der Regisseur Renato Grünig, was die Personen des russischen Dichters Nikolai Gogol ausmacht. Dessen Komödie „Die Heirat“ von 1836 wird nun im Theater am Leibnizplatz aufgeführt. Und zwar durch die Gesangsklassen der Hochschule für Künste (HfK) – in der Vertonung des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinu. Unter der Gesamtleitung von Peter Schaefer arbeiteten die Fachbereiche Musik, Freie Kunst und integriertes Design zusammen. Sie entwickelten Bühnenbild, Kostüme und Grafik.

Der Zweiakter spielt im Petersburg des 19. Jahrhunderts. Der dröge Junggeselle Podkoljósin und seine drei Mitkonkurrenten werben um die Hand der schönen Agafja. Regisseur Grünig bezeichnet Gogol als den „ersten literarischen Karikaturisten des Theaters“ – „Podkoljósin ist sogar zu faul zum Heiraten. Karikiert, überzeichnet und voller subtiler Komik werden die vier zu Existierern, wie sie russischer nicht sein könnten.“

Grünig und der musikalische Leiter Ulrich Sprenger wollen für diese komplexe Herausforderung nicht das reine Singen zulassen. Stattdessen sollen die StudentInnen lernen, ein Teil des Ganzen zu sein und im Sinne des Sängerdarstellers ihre individuellen Fähigkeiten einzusetzen. In den nächsten Jahren wird Sprenger die Verantwortung für die Opernprojekte der Hochschule tragen.

Die fast 1:1 vertonte Kammeroper wurde 1952 komponiert – als Auftragswerk der BBC für die völlig neue Gattung der Fernsehoper. „Das heißt, das Orchester saß hinter der Szene“, erläutert Ulrich Sprenger. „Die Musik hat eine vertrackte Rhythmik, sie zieht ganz schnell nach vorn, wiederholt sich nie“. „Sie ist lyrisch, drastisch und schrill“, so Sprenger. „Es ist eine unglaubliche Herausforderung für uns“.

Das Charakteristische dieser Musik ist ihr besonderer Ton, der sehr stark mit Andeutungen arbeitet, etwa an Beethoven und Mendelssohn. „Vielleicht hat Martinu ganz bewusst nach einem Bindemittel zwischen Komponist und Publikum gesucht“, vermutet Sprenger. Grünig begeistert sich: „Ich finde die Musik kongenial, wie sie mit einem ebenso bösen wie satirischen Blick den Gestus der Sprache trägt.“ Und für die, die sich ein bisschen für Neuheiten im Opernrepertoire interessieren, findet Sprenger Superlative: „Es ist vielleicht die größte Herausforderung für uns, ein Werk zu spielen, das nirgendwo aufgeführt wird.“

Ute Schalz-Laurenze

14. - 17. Juli 2004, jeweils um 19.30 Uhr im Theater am Leibnitzplatz