Alles Banane?

Nichts ist mehr so schön, wie es mal war – die Welt ist mit sich selbst unzufrieden

Cola schmeckt nach Vanille, Bier nach Cola, und das Telefon ist ein Fotoapparat

Die Welt, so wie wir sie kennen, ist allem Anschein nach mit sich selbst unzufrieden und will sich verändern. Auf der einen Seite schmelzen infolge der Erderwärmung Polkappen ab, verdunsten Eisberge im Handumdrehen, auf der anderen Seite weigert sich dieser Sommer beharrlich, das im Jahreszeitenvertrag geregelte Temperaturminimum bereitzustellen. In einigen Freibädern sollen bereits erste dünne Eisflächen gesichtet worden sein.

Auch sonst ist nichts mehr so schön, wie’s mal war. Krieg ist nicht mehr Krieg, sondern seit CNN zu einer Art Aquariumsbeleuchtung umgemodelt worden. Sogar die gute alte Folter gibt’s nicht mehr, sie musste der modernen Installationskunst weichen. Bevor sie im Irak zum Einsatz kam, wurde sie in vielen europäischen und amerikanischen Museen gefeiert.

Krankheiten heißen nicht mehr Schnupfen, Bauchschmerzen oder Ziegenpeter, sondern wie Computerprogramme Sars oder HIV 4, wohingegen die guten alten Viren aus Verzweiflung Computer befallen.

Oder die Sozialdemokraten? Kaum noch zu erkennen und ganz oben auf der Liste der bedrohten Arten. Dem Vernehmen nach will die Partei sich umbenennen in „Andere“ oder „Übrige“, damit sie bei künftigen Wahlen überhaupt noch in den Ergebnissen auftaucht. Schon länger ist auch die Frau keine Frau und der Mann kein Mann mehr – wir alle haben lediglich ein soziales Geschlecht und sind in Wahrheit beides oder etwas dazwischen, mit OP oder ohne.

Tankstellen sind Bäckereien, Ketchup ist grün, Cola schmeckt nach Vanille, Bier nach Cola, das Telefon ist ein Fotoapparat und Fett neuerdings die beste Diät. Die Alten bleiben immer länger jung, und die Jungen werden immer eher alt.

Am schlimmsten ergeht’s den Reichen, die brutal abkassiert und ausgepresst werden und sich gerade so am Abgrund ihrer Mitleid erregenden Existenz festklammern, während die Armen bei ihrer vom Sozialstaat garantierten Fettlebe die Sau rauslassen können.

Irgendwie ist alles Banane – nur dass auch die Bananen bald keine mehr sind. Chiquita, wie gemeldet wird, will neue Bananen auf den Markt bringen, die nach Kaffee schmecken oder nach Erdbeere oder nach Pantoffeln.

Der Chef von Chiquita, Fernando Aguirre, beklagte, dass das Produkt Banane sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert und angeblich ein „langweiliges Image“ habe. Er will interessante Bananen.

Das Ziel der Bananenoperation ist selbstverständlich, mehr Geld für Bananen einzunehmen, die zwar nicht nach Bananen schmecken und nicht wie Bananen aussehen, sondern vielleicht wie Schuhcreme, die man auch essen kann, und noch mehr Geld logischerweise dann für die echte Banane mit echtem Bananengeschmack.

Die Fortschrittsoptimisten werden sagen: „Na und?! Soll doch die Banane schmecken, wie sie will. Und wenn sie nach Tabasco schmeckt, bitte schön. Endlich mal was Neues!“ Das Problem ist, dass auch Tabasco bald nicht mehr wie Tabasco schmecken wird, sondern vielleicht nach Benzin. Viele Autos fahren schon heute mit Salatöl durch die Gegend. Warum nicht morgen mit Tabasco?

Die Pessimisten werden ausrufen: „Seitdem Gott die Welt in der Rekordzeit von nur sieben Tagen erschuf und sprach ‚Es werde Licht!‘, wird es immer dunkler. Der ganze Laden läuft falsch.“ Ihnen sei gesagt, dass auch Gott nicht mehr das ist, was er mal war. Seitdem die Griechen nicht mehr die Griechen, sondern Deutsche sind, nennen sie Gott „Otto“. Und „Otto“ garantiert, dass wenigstens eine einzige, vielleicht letzte Sache nicht neu erfunden werden muss: der Fußball. Es genügt immer noch, den alten Stiefel runterzuspielen, um damit Europameister zu werden.

Womöglich ist das ein Zeichen, ein Beleg, dass die guten alten Dinge am Ende doch noch Bestand haben und dass aus der Bananenflanke keine Tabasco-Eingabe werden muss.

Lassen wir uns die Hoffnung darauf nicht – ähem – verrehageln! RAYK WIELAND