Studentenwerk für Gebühren fit machen

Das CHE empfiehlt dem Deutschen Studentenwerk, von seinem altehrwürdigen Sozialauftrag Abschied zu nehmen. Denn an einer Universität, dieGeld kostet, müssen die Studis viel besser beraten werden. Weil sie als Kunden höhere Ansprüche haben – und für das Studium Schulden anhäufen

„Wir vom CHE meinen, dass die Rolle des Staates nicht mehr funktioniert“

VON CHRISTIAN FÜLLER

Von Liebe keine Spur. Nicht einmal Respekt bezeugen die beiden Partner einander – obwohl sie sich doch hier in Berlin zu einem gemeinsamen Symposium über die Zukunft der Hochschulen treffen. „Ich bin auf einer Tagung des Studentenwerks“, zischt ein Student. Er betont das so, weil er mit den Leuten des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), immerhin der Mitveranstalter, auf keinen Fall etwas zu tun haben will.

Dafür keilt der Mann des CHE zurück. „Sie bekommen heute den Sonderpreis dafür, nichts gesagt zu haben“, kanzelt der die Rede eines Provinzfürsten des Studentenwerks ab – immerhin der Koveranstalter. Was soll das also? Warum haben sich das Centrum für Hochschulentwicklung und die Deutschen Studentenwerke überhaupt auf eine Partnertagung eingelassen? Das Centrum, ein Joint Venture der Hochschulrektoren und der Bertelsmann-Stiftung mit Sitz in Gütersloh, gilt vielen Studenten im Land als das Böse schlechthin. Seit langem wirbt es für Studiengebühren. Zudem gehören Medien wie der Stern zu Bertelsmann – der veröffentlicht jährlich auch das umstrittene CHE-Hochschulranking. Die Studentenwerke auf der anderen Seite, eine Art Wohlfahrtsverband für Studierende, betreiben eine massive Öffentlichkeitsarbeit – gegen Studiengebühren. Was, um Himmels willen, führt die ungleichen Brüder zusammen in das Beamtenforum in Berlins Friedrichstraße?

„Es ist klar geworden, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist“, begründet Detlef Müller-Böling. Der Mann ist der Chef des Centrums für Hochschulentwicklung, und das, was er zur Disposition stellt, ist für seine Partner ein Dogma: Die deutschen Studentenwerke verwalten Wohnheime, organisieren täglich hunderttausende Essen in den deutschen Mensen, bearbeiten Bafög-Anträge, kurz: Sie sind das soziale Rückgrat der Hochschulen. Das aber sind sie im Auftrag des Staates und zumeist als Monopolist. Diese Kombination bringt die Leute vom Centrum am meisten auf. „Wir meinen, dass die Rolle des Staates nicht mehr funktioniert“, sagt Frank Ziegele vom CHE. Zu teuer, zu ineffizient, ohne Konkurrenten – die Gütersloher singen das bekannte Lied. Ziegele hat als Projektleiter gerade ein Gutachten über die Zukunft des Studentenwerks in Hamburg erstellt. Darin finden sich viele Schaubilder, seitenweise Anhänge – und eine verblüffende Fundstelle. Das Bild des Studentenwerks sei von einer „modernen und effizienten Wahrnehmung seiner Aufgaben“ ebenso bestimmt wie „von einem hohen Zufriedenheitsgrad der Studierenden“. Kein Handlungsbedarf mithin? Nein, so leicht lässt sich Frank Ziegele von seinem Steckenpferd nicht abschmeißen. Ziegele war jahrelang im CHE der für Studiengebühren zuständige Referent. Er verstand es, Studentenumfragen stets zu einer eindeutigen Befürwortung des Bezahlstudiums umzudeuten. Und so kommt er in Empfehlung 19 seines Hamburg-Gutachtens wenig überraschend zu folgendem Punkt: „Potenziale für Service- und Beratungsleistungen bei Studiengebühren.“

Wenn erst einmal Studiengebühren erhoben werden, was nicht allein in Ziegeles Augen ein wahrscheinliches Szenario ist, dann treten die Studierenden als Kunden nicht nur insgesamt fordernder auf. Zugleich steigt deren Beratungsbedarf. Das Gutachten zieht daraus den Schluss, dass die Studentenwerke darauf vorbereitet sein sollten, ihre Sozial- zu einer umfassenden Finanzberatung auszubauen.

Die Vertreter der Studentenwerke sind, auch wenn sie nun mit dem CHE auf einer gemeinsamen Tagung parlieren, über das Hamburg-Gutachten nicht eben erfreut. Im Grunde lehnen sie es ab – oder ignorieren es mit gespielter Souveränität. Rudolf Pörtner etwa, Bezirkschef des Studentenwerks in Dresden, erklärt seinen Arbeitgeber pauschal zum „erfolgreichsten Beispiel für Outsourcing seit 80 Jahren. „Das System“, so Pörtner, „ist in sich sinnvoll“. Zu Studiengebühren – kein Wort. Muss er auch gar nicht. Denn dass das Studentenwerk mit seiner Sozialerhebung als der beste Kenner der sozialen Lage der Studierenden überhaupt gilt, ist unbestritten. In der jüngsten Erhebung, herausgegeben genau wie das Hamburg-Gutachten des CHE im Juni 2004, kommen die Autoren zu einem interessanten Befund. Seit 1996 sind es gerade die Mittelstandskinder, deren Zugang zur Universität abnimmt und deren finanzielle Situation an der Uni prekärer wird. Studiengebühren würden diese Klientel in Scharen von den Unis treiben.

Auf die Frage, was denn ein neues, noch effizienter arbeitendes Studentenwerk für die bedrohte Studentenschaft unternehmen könne, stockt CHE-Mann Frank Ziegele nur kurz: Dann gelte es, die Studierenden optimal über Möglichkeiten für Darlehen zu informieren. Das wäre eine echte neue Aufgabe für die Studentenwerke. In dieser Hinsicht sind das Centrum für Hochschulentwicklung und das Studentenwerk keine verhassten Partner, sondern geradezu ein Traumpaar: Die einen fordern Studiengebühren – und die anderen wissen ganz genau, wem sie am meisten weh tun: den Mittelstandskindern.