Unterhaltung für die Familie

Zum zweiten Mal nach 2002 beginnt heute im Jahnstadion mit seiner großen Sport-Vergangenheit das Leichtathletikfest Istaf. Aber die Akzente haben sich verschoben: Die Show wird wichtiger

von STEFAN ALBERTI

Freitagabend nach dem Training im Fernsehen noch schnell die Leichtathletik-Zusammenfassung aus dem Olympiastadion. Wie schnell ist die Jones dieses Mal gelaufen? Wie weit hat der Riedel den Diskus geworfen? Istaf und Freitagabend, das gehörte zusammen wie früher Dienstag und Dallas. Doch nicht nur J. R. hat längst den Sendeplatz geräumt: Die Wettkämpfe des Internationalen Stadionfestes rücken bei seiner 62. Auflage erstmals auf den Sonntag, familienorientierte Nachmittagsunterhaltung dominiert.

Das Sportfest als „gesellschaftliches Ereignis“ wünschte sich 2002 der damalige Istaf-Direktor und frühere Zehnkampf-Olympiassieger Christian Schenk, „mit Glamour, Schicki, Top- und Altstars“. Sein Nachfolger, der Ex-Weltklasse-Hürdensprinter Florian Schwarthoff, forderte, die Leichathletike müsse sich weiter entwickeln, um wieder mehr Medienpräsenz zu bekommen. Sie habe sich zu lange darauf ausgeruht, olympische Kernsportart zu sein.

Dass die Organisatoren dem Sport allein nicht mehr so recht trauen, zeigt sich an Werbeanzeigen für das Istaf: Dort ist nicht etwa einer der für Sonntag angekündigten Supersprinter zu sehen, sondern Popsängerin Yvonne Catterfeld. Deren Auftritt gegen 17.40 Uhr ist der Höhepunkt eines um 12 Uhr beginnenden Rahmenprogramms – der Sport startet um 14 Uhr.

Mit Sportlern auf dem Plakat hat das Istaf allerdings vor über 30 Jahren eine schlechte Erfahrung gemacht: 1968 war darauf Dick Fosbury zu sehen. Der Hochsprung-Olympiasieger und Erfinder des nach ihm benannten Flops sollte, als Technikveränderer auf seine Weise Revolutionär, im politbewegten Berlin Zuschauer ziehen. Pech fürs Istaf: Fosbury verstauchte sich kurz vorher den Knöchel und war folglich nur auf den Plakaten zu sehen.

21.000 Zuschauer füllten im vergangenen Jahr den Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg, in dem das Sportfest nun zum zweiten Mal gastiert. Im nächsten Jahr wollen die Organisatoren ins umgebaute Olympiastadion zurück. Dort hatte es vor dem Umzug zuletzt knapp doppelt so viele Besucher gegeben.

Der stärkere Kartenverkauf schützte aber nicht davor, dass die Istaf-Gesellschaft aus den drei Vereinen OSC, SCC und BSC im Frühjahr 2002 auf mehreren 100.000 Mark Schulden saß und Konkurs anmelden musste. An die Stelle der Drei-Vereine-Gesellschaft als Istaf-Veranstalter trat eine Investorengruppe um den IHK-Präsidenten Werner Gegenbauer und eine Tochtergesellschaft des Deutschen Leichtathletikverbands.

Jetzt soll es aufwärts gehen. Das Jahnstadion ist vielleicht dafür ein guter Ort, hat es doch eine eigene ruhmreiche Leichtathletik-Vergangenheit: Als 1984 der „Olympische Tag“ im Jahn-Sportpark zu einer Ersatz-Olympiade war, weil die DDR die Spiele in Los Angeles boykottierte, warf Uwe Hohn den Speer auf 104,80 Meter. Das war nicht nur Weltrekord, sondern sorgte auch für veränderte, weniger weit fliegende Speere: Die Verbandsoffiziellen hatten Angst, die Speere könnten in den Zuschauerrängen landen.