Hmm? Wie hmm? Du nervst!

Reformagenda 20/03 – Teil 6: Es soll die schönste Zeit des Sommers werden. Früher oder später kommt er doch: der Urlaubsfrust. Das muss nicht sein! Mit dem psychologischen taz-Reiseratgeber

von SUSANNE LANG

1. Essen gehen in der Gruppe!

Touri-Essensmeile, abends. Fünf Leute inspizieren genaustens die aushängenden Karten. Zwei möchten Fisch, einer Fastfood, eine sowieso nur mitessen und ein anderer nichts ausgeben. Nach heftigen Diskussionen einigt man sich trotzdem irgendwie. Zu Tisch beginnt die Diskussion, ob das Lokal ein Fehlgriff war. Der Abend ist gelaufen.

STOPP! Das muss nicht sein.

Wolfgang Arlt, Tourismusforscher an der FH Stralsund, rät:

„Ernährungsexperten stellten in einer Forschungsstudie fest, dass langlebige Menschen nicht sehr wählerisch in der Zusammensetzung oder Zubereitung ihres Essens sind. Wollen Sie länger leben, dann nehmen Sie das, was kommt, und erfreuen sich an Überraschungen. Falls Ihnen diese Lösung nicht gefällt, machen Sie es wie die Chinesen: Einer lädt ein (und bezahlt) und sucht das Essen aus, von dem er denkt, dass es den anderen am besten schmecken wird. Vielleicht kommt der Sparsame dann auf die originelle Idee, ein Picknick zu organisieren.

2. Mutierende Reisepartner!

Zu Hause fiel ihr Reisepartner optisch nicht weiter auf. Kaum aber ist die Grenze passiert, sehen Sie die totale Mutation: ein Achsel-Shirt tragender Kurzhosenfetischist mit Sandalen und Socken gegen den Schweißfluss. Kurz: einer, mit dem man nie gesehen werden will. Die Reise ist gelaufen.

STOPP! Das muss nicht sein.

Arlt rät: „Einer der Hauptunterschiede zwischen den meisten Langläufern und den Marathonläufern der Spitzenklasse liegt in der Art und Weise, wie die Läufer mit physischem Schmerz umgehen. Versetzen Sie sich deshalb in eine Art Selbsthypnose und grenzen Sie damit das negative Feedback Ihres optischen Stilempfindens aus. Oder: Machen Sie beim ‚Verkleiden‘ mit und betrachten das als eine Selbsterfahrungsübung. Beim nächsten Mal können Sie ja einen anderen Reisepartner wählen.“

3. Karten lesen!

Drei Reisende, ein Auto, eine Karte. Das Ziel: eine Kapelle auf dem Hügel einer mediterranen Bergwelt. Plötzlich merkt der Beifahrer an, dass sie wohl im Kreis gefahren sind. Es folgt: ein Vortrag des Fahrers über die Kunst des Kartenlesens und die Kunst des Autofahrens, die nicht erlaube, dass der Fahrer auch noch die Karte lese. Er bremst, springt aus dem Wagen und läuft mit dem Autoschlüssel weg. Der Ausflug ist gelaufen.

STOPP! Das muss nicht sein.

Arlt rät: „Meine lieben Mitfahrer – es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Pianisten. Man fand heraus, dass vom Tag ihrer ersten Klavierstunde bis zum Gewinnen eines Wettbewerbs rund 17 Jahre vergehen. Es wird bestimmt nicht 17 Jahre dauern, bis wir an dem angestrebten Kirchlein auf dem Hügel angelangt sind.“

4. Ungewollte Anschluss-Sucher!

Das Drama beginnt meist mit einer harmlosen Frage. Doch an ihr klebt es schon, ein laut und überall und immer anwesendes Problem: der nette Zimmernachbar von nebenan. Es wird kein Entrinnen geben. Der Tag ist gelaufen, die folgenden auch.

STOPP! Das muss nicht sein.

Arlt rät: „Schieben Sie ihren Ärger beiseite: Nutzen Sie die kommunikativen Sehnsüchte und Bedürfnisse anderer, um selbst Freude zu empfinden! Je mehr Sie über andere Personen erfahren, umso größer ist die Chance, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wieder zu Hause, können Sie mit Ihren Berichten aus dem skurrilen Kosmos Ihrer ‚Reisebekanntschaft‘ sowieso mehr Eindruck schinden als mit den üblichen Storys über die Einheimischen, mit denen Sie mangels Sprachkenntnissen sowieso nicht kommunizieren konnten.

5. Beziehung retten!

Last exit Urlaub: für viele die letzte Hoffnung, die marode Beziehung zu retten. Probleme zu Hause lassen, altes Verliebtheitsgefühl aus den Tiefen des Sandstrands ausbuddeln. Sie: „War doch eine gute Idee mit dem Urlaub?“ Er: „Hmm.“ Sie: „Wie hmm?!“ Er: „Was?“ Sie: „Du hast doch was!“ Er: „Hä? Nerv nicht mit deinen ständigen Unterstellungen.“ Sie: „Was?!“ Er: „Hach.“ Sie: „Ich reise ab.“ Die Beziehung ist gelaufen.

STOPP! Das muss nicht sein.

Arlt rät:

„1. Erstellen Sie – im Urlaub ist endlich mal Zeit dazu – je eine Liste aller unliebsamen und liebsamen Dinge, die Sie an Ihrem Partner in den letzten sechs Monaten entdeckt haben. Bitten Sie diese/n, das Gleiche, Sie selbst betreffend, zu tun.

2. Nutzen Sie die Urlaubsstimmung, um mit möglichst viel Toleranz und Respekt die Listen zu besprechen.

3. Sollten 1. und 2. keine Lösung bringen, dann ist es keine Stärke, an etwas festzuhalten, was einen nicht mehr weiterbringt, sondern ein Akt der Selbstblockade. Trösten Sie sich mit Statistik: Ein Drittel aller Beziehungen endet nach einer gemeinsamen Reise.“