Neue US-Strategie für den Irak

Die Polizei soll ausgebaut und ein neuer Sicherheitsdienst geschaffen werden. Antiterroristenkampf übernehmen die Koalitionäre weiterhin selbst. Islamistengruppe hinter letztem Anschlag vermutet. Klagen über Bestechungsforderungen

Die Iraker sollen die Verantwortung für die innere Sicherheit selbst übernehmen

aus Bagdad INGA ROGG

Als Reaktion auf den schweren Bombenanschlag auf die jordanische Botschaft am Donnerstag will die angloamerikanische Koalition den Aufbau von irakischen Sicherheitskräften weiter vorantreiben. Zu dem Anschlag, bei dem 13 Menschen getötet und mehr als 50 verletzt wurden, hat sich bislang niemand bekannt. Die US-Armee erklärte jedoch, ihre Ermittlungen konzentrierten sich auf die fundamentalistische Gruppe Ansar al-Islam, der Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt werden.

Die Iraker müssten die Verantwortung für die innere Sicherheit selbst übernehmen, sagen die Sprecher der angloamerikanischen Koalition. Die irakische Polizei müsse ausgebaut und ein zusätzlicher Sicherheitsdienst geschaffen werden. Dieser solle vor allem zum Schutz von zivilen Einrichtungen wie Wasser- und Elektrizitätswerken oder Ölpipelines eingesetzt werden.

Die irakische Polizei, die sich bislang aus landesweit 33.000 Personen rekrutiert, soll verstärkt die Durchsetzung von Recht und Ordnung übernehmen. Im Gegensatz zum neu gebildeten Sicherheitsdienst besteht die Polizei großteils aus dem früheren Personal. Deshalb sind auch dessen alte Unsitten zurückgekehrt. So mehren sich Beschwerden von Geschäftsleuten, dass sie an Checkpoints, wo keine Amerikaner präsent sind, wieder Bestechungsgelder bezahlen müssen, um ihre Waren weitertransportieren zu können.

Den eigentlichen Kampf gegen die versprengten Anhänger des Baath-Regimes, die Fedajin-Milizen des im Juli getöteten Saddam-Sohns Udai sowie gegen islamistische Kämpfer werden die Amerikaner aber auch künftig alleine führen. Laut dem Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak, Ricardo Sanchez, werden die Truppen noch mindestens zwei Jahre im Land bleiben, bis drei Divisionen der irakischen Armee einsatzbereit seien. Sanchez kündigte gleichzeitig eine Revision der bisherigen Militärstrategie an. Statt der extensiven Razzien, die bisher das Vorgehen der Amerikaner bestimmen, wolle man künftig zielgenauere Operationen gegen ranghohe Vertreter des gestürzten Regimes und Saddam durchführen. Seitdem Präsident Bush Anfang Mai das Ende der Hauptkampfhandlungen verkündete, haben amerikanische Einheiten nach eigenen Angaben im Irak 5.000 Iraker festgenommen. Dabei sind auch immer wieder unbeteiligte Zivilisten in Haft genommen worden. Die von vielen als demütigend empfundene Behandlung durch die Soldaten, die den Gefangenen immer eine Gesichtsmaske überstülpen, sie in der brütenden Hitze im Freien sitzen lassen und wahllos das Mobiliar der Häuser verwüsten, hat in der irakischen Öffentlichkeit für erheblichen Unmut gesorgt. Irakische Politiker haben die Amerikaner gewarnt, dass das grobe Vorgehen der Soldaten die Iraker in die Arme des alten Regimes treibe. Dem Beispiel der Briten folgend, wollen die Amerikaner nun vermehrt auf die Zusammenarbeit mit lokalen Stammeschefs, Geistlichen und irakischen Politikern setzen.

Am Freitag haben US-Soldaten auf einem Markt in Tikrit, im so genannten „sunnitischen Dreieck“, fünf Männer und ein Kind erschossen. In Bagdad wurde ein US-Soldat erschossen.