Städte protestieren im Saal

Nach der Kanzlerrunde zur Gemeindefinanzierung befürchten Kommunalverbände das „Ende der Gewerbesteuer“. Städtetag trifft sich zur außerordentlichen Hauptversammlung im September. SPD-Fraktion meldet schon Dienstag Widerspruch an

aus Berlin HANNES KOCH

Das hat es beim deutschen Städtetag noch nie gegeben: eine Sondersitzung des Präsidiums. Die scheinbar milde Form des Protests, wie er gestern in Berlin stattfand, drückt ehrliche Verärgerung aus. Die StadtdirektorInnen und BürgermeisterInnen der deutschen Städte fühlen sich von der Bundesregierung verschaukelt. Nachdem ihnen Rot-Grün monatelang eine deutliche Verbesserung der kommunalen Finanzen versprochen hatte, kommt nun, so Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, „ein Nullergebnis im ganzen nächsten Jahr heraus“. Für September kündigte Petra Roth, die Präsidentin des Deutschen Städtetages, verschärften Protest an – eine außerordentliche Hauptversammlung in Berlin.

Am Montag hatten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesfinanzminister Hans Eichel (beide SPD) sowie weitere rot-grüne Spitzenpolitiker verständigt, den Kommunen im kommenden Jahr 4,5 Milliarden Euro mehr zu geben, 2005 sollten es dann 5 Milliarden sein. Vorher war freilich im Bundeskabinett immer von 7 zusätzlichen Milliarden die Rede gewesen. Gestern bezifferte Städtetagspräsidentin Roth das Defizit aller Städte und Gemeinden in diesem Jahr auf „10 Milliarden Euro“ – verursacht unter anderem durch die geringeren Einnahmen bei der Gewerbesteuer.

Dieser Punkt regt die Kommunalvertreter besonders auf: Während sich die meisten Experten über die Parteiengrenzen hinaus einig sind, die Gewerbesteuer als wichtigste eigenständige Finanzquelle der Städte zu stabilisieren, hat das Bundesfinanzministerium nun teilweise das Gegenteil vorgeschlagen. „Eine Demontage“, so Münchens OB Ude. Nach Willen von Minister Eichel sollen die Dauerschuldzinsen, die Firmen an ihre Gläubiger zahlen, in Zukunft nicht mehr in die Berechnung der Gewerbesteuer einbezogen werden. Die Einnahmen der Städte würden weiter sinken.

Durch die Besteuerung der Zinskosten für langfristige Schulden wird bisher die Ertragskraft eines Unternehmens begrenzt berücksichtigt – und nicht nur die Erträge. Sollte dies künftig wegfallen, würde die Gewerbesteuer zur reinen Gewinnsteuer. Ertragssteuern sind aber im Grundgesetz als kommunale Finanzquelle ausgeschlossen. Der Städtetag sieht schon Klagen der Wirtschaftsverbände vor dem Bundesverfassungsgericht voraus – mit dem möglichen Ergebnis, dass die Gewerbesteuer komplett kippt oder auf Jahre blockiert wird.

Von den zusätzlichen 4,5 Milliarden Euro für 2004 blieben nur rund 3 Milliarden übrig, rechneten Roth und Ude vor – 1,5 Milliarden müssten schließlich für verbesserte Kinderbetreuung ausgegeben werden. Die verbleibenden 3 Milliarden würden aber durch die vorgezogene Steuerreform ebenfalls aufgezehrt.

Die Kommunal- und Finanzpolitiker der SPD haben für nächsten Dienstag zu einer Sondersitzung der entsprechenden Fraktionsarbeitsgruppen geladen, denn sie sehen die Lage ähnlich dramatisch wie die Kommunen. Allerdings glaubt der kommunalpolitische Sprecher Bernd Scheelen nicht, dass sich die Entscheidung des Kabinetts am Mittwoch noch beeinflussen lässt. Veränderungen am Regierungsentwurf erhofft Scheelen sich freilich für die Fraktionssitzung am 26. August.

Dabei zeichnet sich ein möglicher Kompromiss ab. Nach Meinung mancher SPD-Abgeordneter müssen nicht unbedingt die Einnahmen aus der Gewerbesteuer weiter gesteigert werden; auch eine stärkere Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer wäre diskussionswürdig. In diese Richtung gehen auch Überlegungen in der Union, die im Bundesrat zustimmen muss.