Miete wechselt Empfänger

Die Essener Wohnungsgesellschaft Gagfah wird heute verkauft. Landesweit sind mehr als 50.000 Mieter betroffen. Einhalten sozialer Standards ist vorgeschrieben. Markt bleibt in Bewegung

VON HOLGER PAULER

Im Bieterverfahren um die Essener Wohnungsgesellschaft Gagfah soll heute eine Vorentscheidung fallen. Der Vorstand der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) will sich nach Informationen der taz zu einer letzten Sitzung treffen, um über die Angebote der beiden im Bieterverfahren übrig gebliebenen Beteiligungsgesellschaften zu entscheiden. Die BfA ist die Muttergesellschaft der Gagfah (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten). Rund 81.000 eigene und 110.000 verwaltete Wohnungen gehören zur Gagfah. In Nordrhein-Westfalen wären vom Verkauf etwa 30.000 Wohnungen betroffen – ein Großteil davon im Ruhrgebiet.

Wer sind die Akteure ?

Die Entscheidung fällt zwischen zwei Beteiligungsgesellschaften, der britischen Terra Firma und der amerikanischen Fortress. Terra Firma ist auf dem deutschen Immobilienmarkt bereits über die Deutsche Annington Immobilien GmbH aktiv. Vor vier Jahren erwarb der Konzern 64.000 Eisenbahnerwohnungen. Die Annington-Tochter, Wohnungsgesellschaft Ruhr-Niederrhein mbH besitzt in Duisburg und Essen rund 9.000 Wohnungen. Fortress versucht nun über die Gagfah den Einstieg in den Wohnungsmarkt zu schaffen. Helfen soll dabei der ehemalige Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Klaus Gerster. Er führt für Fortress die Verhandlungen mit BfA und der Bundesregierung.

Wer bietet wieviel?

Terra Firma hat in der vergangenen Woche ihr Angebot auf etwa 2,1 Milliarden Euro erhöht und liegt damit rund 200 Millionen Euro unter dem Angebot von Fortress. Zudem müssen die Gagfah-Verbindlichkeiten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro übernommen werden. Laut Ausschreibung sind die Bieter dazu verpflichtet, sich zu einem mieterfreundlichen Kurs bekennen und sowohl Eigenbedarfskündigungen als auch deutliche Mieterhöhungen auszuschließen. Terra Firma versucht das niedrigere Angebot durch eine Betonung der sozialen Komponente auszugleichen. Mieter können ihre Wohnung zu einem Rabatt von 15 Prozent unter Marktpreis kaufen. Mieter ab 60 Jahren erhalten ein lebenslanges Wohnrecht.

Warum wird verkauft?

Die BfA will mit dem Erlös aus dem Gagfah-Verkauf das Defizit in der Rentenkasse verkleinern. Für das laufende Jahr wird mit einem Ausfall von 3 Milliarden Euro gerechnet. Angesichts der chronisch leeren Kassen ist es nicht unwahrscheinlich, dass die BfA beim Verkauf eher auf das Geld statt auf den Mieterschutz schaut.

Was sagen die Mieter?

Aichard Hoffman vom Mieterforum Ruhr fordert, dass die BfA vor allem auf die soziale Komponente setzen sollte. Mit der Deutschen Annington habe man gute Erfahrungen gemacht und die Versprechungen der Terra Firma klängen auch nicht schlecht. „Ob sich die Firmen dann am Ende daran halten, ist natürlich unsicher.“ Verkäufe würden die Mieter per se verunsichern. „Je weniger man über den neuen Besitzer weiß, desto größer die Angst“, so Hoffmann.

Was gibt der Markt her?

Die E.ON-Tochter viterra will sich noch in diesem Jahr von ihren 90.000 Wohnungen im Rurgebiet trennen. Bereits Anfang des Jahres wurden gegen den Widerstand der Mieter 27.000 Wohnungen verkauft. Der Landtag NRW hat wegen der schlechten Erfahrungen mit viterra einen Verhaltenkodex für Wohnungsgesellschaften verabschiedet. Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und Städtebauminister Michael Vesper (Grüne) wollen im viterra-Verkauf vermitteln. Außerdem: Die RAG Immobilien GmbH will ihren Wohnbestand von 70.000 auf 85.000 erweitern und sich künftig auf die Entwicklung ganzer Stadtteile konzentrieren. Größter Eigentümer ist die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) NRW mit 110.000 Wohnungen. Langfristig will die LEG die Privatisierung der Mietwohnungen voran treiben. Ein Vorhaben, das alle Wohnungsgesellschaften eint.