Das gab‘s noch nie: Hamburgs Polizei probt die Anarchie

Im Kampf gegen Kürzungen fordern mehrere Polizeigewerkschaften ihre Mitglieder auf, in Hamburg „einiges durcheinander zu bringen“

Schluss mit Ordnunghüten. Polizeibeamte werden in den kommenden Monaten in Hamburg „einiges durcheinander bringen“. Das kündigt der Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jürgen Lamp, an. Mit „phantasievollen Aktionen“, so Lamp, sollen die Beamten ihren Protest gegen Einsparungen bei der Polizei deutlich machen.

Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Politiker der Hansestadt müssten sich ab Spätsommer darauf einstellen, am Morgen von einem uniformierten Beamten mit einem Protestplakat zu Hause abgeholt und den ganzen Tag begleitet zu werden. Mögliche Termine der Aktion „intensiver Polizeischutz“ sollen dabei „geheim gehalten“ werden, um „die Herren zu überraschen“, kündigt Lamp an. Der Bürgermeister, der Innen- und auch der Finanzsenator müssten mit einem solchen „Polizeischutz“ rechnen. Lamp: „Wenn man Politiker nicht begleitet, machen sie Unsinn.“

Der mit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) abgestimmte Protest richtet sich laut Lamp gegen die „Sonderopfer“, die der Polizei und der Feuerwehr, die sich ebenfalls an den Aktionen beteiligen soll, im Rahmen der Haushaltskonsolidierung abverlangt würden. Bereits 2002 wurde die Wochenarbeitszeit für Polizisten von 38,5 auf 40 Stunden erhöht, später das Urlaubsgeld gestrichen und das Weihnachtsgeld „drastisch reduziert“.

Hinzu käme die angekündigte Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die neue Eigenbeteiligung der Beamten bei der Heilfürsorge. Lamp: „Wir sind auf Krawall gebürstet und werden die Aktionen langsam steigern, wenn die Politik nicht einlenkt.“ Nach Lamps Einschätzung würden die Beamten am liebsten die Arbeit verweigern. Da sie das nicht dürfen, würden Aktionen wie ein Knöllchen-freier Tag vorbereitet, an dem sich Polizisten auf die Aufklärung von Straftaten konzentrieren und zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten keine Zeit mehr hätten. Auch ein „Gesundheitstag“, an dem sich möglichst viele Beamte um ihre körperliche Vorsorge kümmern würden, sei angedacht. Den konkreten Aktionsplan wollen die Landesvorsitzenden der drei Gewerkschaften bei einem Treffen am 3. August beraten.

DPolG-Landeschef Joachim Lenders kritisiert, dass bei der Polizei 151 Stellen gestrichen werden sollen, obwohl die Beamten einen Überstundenberg von 750.000 Stunden vor sich herschöben. Gemeinsam wollen sich die Gewerkschaften dafür einsetzen, dass der Personalrat der Polizei keine Überstunden mehr genehmigt. Um die nur mit umfangreichen Polizeieinsätzen möglichen Großveranstaltungen wie die „Cyclassics“, aber auch den herbstlichen Kinder-Laternenumzug zu sichern, müsste Polizeipräsident Werner Jantosch dann Überstunden anordnen, die sofort juristisch angefochten werden würden.

CDU-Mitglied Lenders, der bis Februar 2004 als Bürgerschaftsabgeordneter fungierte, spricht von einem „ungeheuerlichen Wahlbetrug“ seiner Partei: „Wenn die CDU so weitermacht, werde ich sie bis Ende des Jahres verlassen.“ Marco Carini