Jenapharm soll zahlen

Rund 100 frühere DDR-Sportler fordern vom Hersteller des DDR-DopingmittelsOral-Turinabol Schadenersatz für die Dopingschäden, unter denen sie heute leiden

JENA dpa ■ Der Arzneimittelhersteller Jenapharm GmbH sieht sich mit Entschädigungsforderungen im Zusammenhang mit Doping im DDR-Leistungssport konfrontiert. Zwei Rechtsanwaltskanzleien haben Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche in unbezifferter Höhe geltend gemacht, sagte Geschäftsführerin Isabel Rothe gestern in Jena. Das Unternehmen wies die Ansprüche als unberechtigt zurück. Hintergrund ist die Verwendung des Medikaments Oral-Turinabol zum systematischen Doping von DDR-Sportlern. Die Kanzleien vertreten etwa 100 frühere DDR-Athleten. In wessen Namen die Ansprüche gestellt wurden, ließen die Rechtsanwälte offen.

Aus Unternehmenssicht sind die Ansprüche gegen die Firma unberechtigt, weil das in Jena hergestellte Medikament missbräuchlich zum Doping eingesetzt wurde. Oral-Turinabol war 1965 vom Institut für Arzneimittel der DDR offiziell als rezeptpflichtiges Medikament unter anderem zur Behandlung von Knochenschwund zugelassen worden. Zielgruppe waren vor allem ältere Patienten mit Muskel- und Skelettproblemen nach Operationen.

Die Rechtsanwälte hätten keine konkreten Sachverhalte vorgetragen, aus denen sich eine Haftung für die „missbräuchlich von Verantwortlichen des Sports zu Dopingzwecken“ verwendeten Präparate ableiten lasse, hieß es aus dem Unternehmen. Man nehme das Schicksal der DDR-Dopingopfer sehr ernst, sagte Rothe. Forderungen müssten jedoch an die dafür Verantwortlichen gerichtet werden. „Unserer Auffassung nach hatte der VEB Jenapharm keine zentrale Bedeutung in der Dopingpraxis der DDR“, so die Geschäftsführerin.

Oral-Turinabol gehört zur Gruppe der Steroidhormone. Der in dem Medikament enthaltene Wirkstoff fördert den Aufbau von Knochen und Muskulatur. Die heute zum Schering-Konzern gehörende Jenapharm GmbH nahm das Arzneimittel nach eigenen Angaben 1994 vom Markt, weil die erforderliche Nachzulassung nach bundesdeutschem Arzneirecht zu kostspielig gewesen wäre. Der Mutterkonzern Schering hat sich mit 25.000 Euro an dem vom Bund initiierten Fonds für DDR-Dopingopfer beteiligt.