Pomadig geteilt

„Ailton, beweg dich mal“: Eine matte Bremer Mannschaft rettet gegen Gladbach nur mit großem Dusel ein 1:1-Unentschieden

Aus Bremen Markus Jox

Eine Viertelstunde vor Abpfiff konnte der Hardcore-Fan und Dauerkarteninhaber auf der Haupttribüne des Bremer Weserstadions endgültig nicht mehr an sich halten. Es stand zu diesem Zeitpunkt zwar 1:0 für die Bremer – durch einen höchst zweifelhaften Elfmeter – aber das Eckstoßverhältnis lautete 9:1 für die ungleich bessere Mannschaft: für Borussia Mönchengladbach. Die anspruchsvollen Werder-Fans schwiegen betreten, und aus dem Gladbacher Gästeblock sang es unverdrossen „Auf geht‘s Borussia!“ Also erhob der grau melierte Mittfünfziger seinen Hintern von dem grün-weißen Werder-Sitzkissen, schnellte geradezu nach oben, ballte kämpferisch die Faust und schrie mit krebsrotem Gesicht: „Geh doch mit, Ailton, beweg dich mal!“

Nämlicher Spieler, Werders Brasilianer, hatte zwar das Elfmetergeschenk des Schiedsrichters dankend angenommen und Bremen in Führung geschossen, aber ansonsten waren seine verunglückten Aktionen und sein müdes Herumgetrabe symptomatisch für die Mannschaftsleistung des SV Werder – „pomadig“ nennt man wohl im Sportreporterdeutsch das, was die Bremer im Hitzekessel Weserstadion (siehe Kasten) abgeliefert haben.

Der Mann im Stadion, der jedoch am allermeisten zu schwitzen schien, stand am Spielfeldrand: Gladbachs Trainer Ewald Lienen, neben dessen schickem Club-Anzug inklusive der in den Vereinsfarben gestreiften Krawatte Bremens Coach Thomas Schaaf wie der stellvertretende Torwarttrainer aussah. In einem fort schimpfte Lienen vor sich hin, warf große Gesten aufs Spielfeld, kritzelte seine notorischen Zettelchen voll und wischte sich mit Taschentüchern den Schweiß von der Stirn. Erst als die indisponierte Bremer Abwehr Joris van Houdt neun Minuten vor Schluss völlig frei zum Kopfball kommen ließ und der den Ball trocken ins Netz genickt hatte, legte sich Lienens Anspannug etwas – was ihn allerdings nicht daran hinderte, in die Premiere-Kameras über den Bremer Elfmeter zu schimpfen: Werder-Spieler Krisztian Lisztes habe den mit unfairen Mitteln erschlichen, urteilte der Fairness-Papst: Lisztes habe doch tatsächlich „ohne Körperkontakt“ den freien Fall im Gladbacher Strafraum gewagt. „Das war der erfolgreiche Versuch, auf betrügerische Art und Weise einen Vorteil herauszuholen“, schimpfte der Trainer. Den Schiedsrichter treffe jedoch keine Schuld, so Lienen mit ein ganz klein wenig Sarkasmus: „Die Schiedsrichter sind super, die werden immer besser.“

Immerhin könne man nun von „ausgleichender Gerechtigkeit“ sprechen, tröstete sich „Zettel-Ewald“ und verwies trocken auf das letzte Spiel der vergangenen Saison: Damals hatte sein Spieler Marcelo Pletsch keine rote Karte bekommen, obwohl er Werder-Stürmer Markus Daun derart brutal gefoult hatte, dass der heute noch an den Folgen laboriert.