fusspflege unter der grasnarbe
: Tyrannisierte Abwehrreihen

Als al-Saadi Gaddafi, der Sohn des libyschen Staatschefs, noch für Al Ittihad in Tripolis spielte, trug sich zuweilen Seltsames zu in der gegnerischen Hälfte: Stürmte der hohe Herr aufs Tor zu, vergaßen manche Abwehrspieler ihre Berufsausbildung und liefen weg von Ball und Gegner. Verständlich, denn wer zu engagiert ins Tackling eingestiegen wäre, hätte ein paar Unannehmlichkeiten riskiert.

Der Sportkamerad al-Saadi ist nicht nur der Sprössling des Revolutionsführers, sondern auch Vizepräsident des nationalen Fußballverbandes, Chef der dortigen NOK – und, nicht zuletzt, der libysche Kaiser Franz: Er gibt den Süßholz raspelnden Diplomaten, damit die FIFA die WM 2010 an sein Land vergibt. Seit Anfang Juli steht der morgenländische Multifunktionär nun im Kader des Serie-A-Klubs AC Perugia, der außerhalb Italiens nur einmal aufgefallen war: als Präsident Luciano Gaucci einen koreanischen Angestellten verdammte, weil dieser bei der WM 2002 das entscheidende Tor gegen Italien erzielt hatte. Morgen Abend schaut, nun ja, die Welt wieder auf Perugia, trifft der Klub doch im Endspiel des UI-Cup auf Wolfsburg.

Die Spione, die am Sonnabend im Westfalenstadion hockten, werden frohgemut nach Hause gejettet sein, hatten sie doch eine Wolfsburger Defensive gesehen, deren Auftritt libysch anmutete. Ähnlich wie einst die Gegner von Al Ittihad gegenüber Gaddafi jun. verhielten sich nun die VfL-Kicker gegenüber Dortmunds Rosicky – obwohl nicht überliefert ist, dass der tschechische Regisseur gute Beziehungen zu Tyrannen pflegt.

Der gequälte Blick, den Wolfsburgs Coach Jürgen Röber angesichts dieses übertriebenen Entgegenkommens aufsetzte, lässt darauf schließen, dass die Niedersachsen schon nach zwei Spieltagen die Illusion verloren haben, sie hätten eine Truppe von internationalem Format. Der Kleinmut käme allemal zur falschen Zeit, denn Perugia gegen Wolfsburg – das ist auch ein Kampf der Systeme. Zwei Modelle der Profifußballfinanzierung prallen aufeinander: Hier das Reich eines Finsterlings, der in Perugia seine zweite Heimat finden konnte, weil er ein paar Geldkoffer mitgebracht hat (7,5 Prozent von Juventus und ein Drittel vom US Triest gehörten ihm schon), dort eine der bekanntesten Autofirmen des Erdballs; hier ein Investor, der mit Geldscheinen wedelt, die mutmaßlich nicht frei sind von Blut, dort einer, der sein Fußball-Engagement als ehrbare Angelegenheit zu verkaufen weiß – beide in der Hoffnung, ihren Klubs den Weg aus der Graumäusigkeit erkaufen zu können.

Mag sein, dass der berühmte Sohnemann morgen nicht aufläuft, weil seine fußballerischen Fähigkeiten umstritten sind. Sein Einfluss auf die Elf ist dennoch nicht zu unterschätzen. Weil er gute Connections zu anderen umstrittenen VIPs hat, gibt seit kurzem Ben Johnson – berühmtester Doper aller Zeiten – der Truppe Sprint-Unterricht. Wenn man an das samstägliche Abwehrverhalten des VfL denkt, ist das keine gute Nachricht.